Rezension aus dem Kritischen Literaturdienst Fußverkehr (Krit.Lit.Fuss), Ausgabe 12/1995
Ausgangslage
Innerhalb des Arbeitsausschusses "Anlagen des Fußgänger- und Radverkehrs" der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen hat der Arbeitskreis "Fußgängerverkehr" Hinweise zu den Einsatzbedingungen und dem Maßnahmenrepertoire von Fußgängerquerungsanlagen entwickelt. Der aus Planungspraktikern und Verkehrswissenschaftlern zusammengesetzte Arbeitskreis hat sich dabei an den auf den Fußgängerverkehr bezogenen Aussagen der einschlägigen Richtlinien (u.a. EAE 85/95, EAHV 93, RiLSA, R-FGÜ 84) orientiert, darüber hinaus aber auch neuere Erkenntnisse der Planungspraxis berücksichtigt. Die Hinweise konzentrieren sich auf Maßnahmen an Straßen mit Verbindungs- und Erschließungsfunktion innerorts, v.a. auf Straßen der Kategorie C der RAS. Hinweise zu Querungsanlagen sind insbesondere deshalb wichtig, weil sich Unfälle mit Fußgängern ganz überwiegend beim Versuch, eine Fahrbahn zu überqueren, ereignen.
Inhalt
Definition: Unter Fußgängerquerungsanlagen werden alle Maßnahmen verstanden, die punktuell oder linienhaft das Überqueren von Fahrbahnen, Schienenwegen und Radverkehrsanlagen für Fußgänger vereinfachen, indem das Gefährdungspotential abgebaut, die Wartzeit verkürzt oder ein Vorrang gegenüber dem Fahrzeugverkehr eingeführt wird. Damit zielen diese Querungsanlagen sowohl auf eine Erhöhung des Querungskomforts (z.B. direkte Wege, geringe Wartezeiten) als auch auf eine Erhöhung der Querungssicherheit.
Einsatzbereiche von Fußgängerquerungsanlagen werden in Abhängigkeit von der Kfz-Fahrgeschwindigkeit und der Kfz-Verkehrsstärke bestimmt (siehe Abb.). Ein Bedarf wird v.a. dort gesehen, wo beidseitig eine geschlossene Wohnbebauung, Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe, punktuell besondere Fußgängerquellen und -ziele oder ÖPNV-Haltestellen vorkommen sowie dort, wo wichtige Fußwegeverbindungen von Straßen gekreuzt werden. In Straßenabschnitten mit geringerer Bedeutung für den Kfz-Verkehr sollen Maßnahmen vorgesehen werden, die den Fußgängerverkehr weitgehend bevorrechtigen. Es wird betont, daß auch Maßnahmen zur Verringerung der Kraftfahrzeugverkehrsstärke in Straßen mit nennenswertem Querungsbedarf eine wirkungsvolle Hilfe für Fußgänger sind und sogar manchmal weitere Maßnahmen entbehrlich machen.
Zum Maßnahmenrepertoire zählt das Arbeitspapier verkehrliche Maßnahmen (Fußgängerüberweg, Fußgänger-Lichtsignalanlage), bauliche Maßnahmen (Fahrbahnteiler, Gehwegüberfahrt, Veränderung der Fahrbahnbreite) und zusätzliche Maßnahmen (Geschwindigkeitsüberwachung, Maßnahmen zur Erhöhung der Aufmerksamkeit). An Knotenpunkten werden neben Lichtsignalanlagen und Fußgängerüberwegen unter anderem Teilaufpflasterungen in den Zufahrten von Anschlußknotenpunkten, Inseln in Zufahrten von Kreisverkehrsplätzen und eine Verminderung der Fahrbahnbreite bzw. Gehwegvorsprünge als mögliche Maßnahmen empfohlen. Auf Streckenabschnitten empfehlen sich - möglichst linienhafte - Maßnahmenkombinationen, die auch geschwindigkeitsdämpfend für den Kraftfahrzeugverkehr wirken.
Für die Anlage von Fußgängerüberwegen werden aufgrund neuerer Erfahrungen Modifizierungen gegenüber der schon 1984 erlassenen R-FGÜ vorgeschlagen: eine Einrichtung bei bis zu 1.000 Kf/h in beiden Fahrtrichtungen; in Verbindung mit einer Mittelinsel und durch Herabsetzung der Geschwindigkeit (V85) durch bauliche Maßnahmen auch bei Verkehrsstärken bis ca. 2.000 Kfz/h. In Ausnahmefällen, z.B.zugunsten schutzbedürftiger Personen, wird ein Einsatz bei weniger als 300 Kfz/h als möglich erachtet. Als Orientierungswert für die Mindestbelastung von Fußgängern/Spitzenstunde werden 50 Fußgänger genannt. Fußgängerüberwege werden generell für ÖPNV-Haltestellen empfohlen, FGÜ im Abstand von weniger als 200 m bei bestimmten örtlichen Gegebenheiten werden als möglich eingestuft. Die Hinweise zur Anlage von Lichtsignalanlagen orientieren sich im wesentlichen an der RiLSA und greifen die dort gegebenen Möglichkeiten zur Einrichtung komfortabler und sicherer Querungsmöglichkeiten auf (konfliktfreie Signalschaltungen, progressive Schaltung bei Mittelinseln, zweite Fußgängersonderphase, Dunkelanlagen mit Anforderung durch Fußgänger).
Es wird empfohlen, Unterführungen mittel- bis langfristig durch niveaugleiche Querungsmöglichkeiten zu ersetzen. Für Altanlagen und ggf. noch vorzunehmende Neuplanungen werden detaillierte bauliche und gestalterische Anforderungen formuliert.
Als bauliche Lösungen ohne Fußgängervorrang kommen nach dem Arbeitspapier v.a. Mittelinseln in nicht zu großen Abständen (mit oder ohne Fahrstreifen-Verschwenkung), durchgehende Mittelstreifen, Gehwegvorsprünge zwischen Parkständen (einzeln oder in Abfolge) sowie eine Verminderung der Fahrstreifenbreite oder -anzahl in Frage.
Bewertung
Das Arbeitspapier faßt zum ersten Mal die in diversen Richtlinien und Empfehlungen gegebenen Möglichkeiten zur Verbesserung der Querungssituation für Fußgänger zusammen. Beachtenswert sind v.a. die Hinweise zur Anlage von Fußgängerüberwegen: hierbei wird das Einsatzspektrum dieser wichtigen Querungsanlage deutlich erweitert. Das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie und Verkehr NRW hat bereits empfohlen, das FGSV-Arbeitspapier bei kommunalen Planungen zu berücksichtigen. Es ist zu hoffen, daß die anderen Bundesländer entsprechend nachfolgen.
Titel:
Fußgängerquerungsanlagen innerhalb bebauter Gebiete. (=FGSV-Arbeitspapier Nr. 39), Köln 1996.
Herausgeber:
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Konrad-Adenauer-Str. 13, D-50996 Köln
Bezug:
über die FGSV, 9,60 DM für Mitglieder, 14,40 DM für Nicht-Mitglieder.
Impressum:
Erstveröffentlichung dieses Beitrages im InformationsDienstVerkehr IDV, November 1996. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail:
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