Rezension aus dem Kritischen Literaturdienst Fußverkehr (Krit.Lit.Fuss), Ausgabe 14/1997
Ausgangslage
Das "London Planning Advisory Committee" (LPAC) soll als Beratungsorgan gewährleisten, daß die Interessen der Londoner Bürger in der Stadtplanung berücksichtigt werden. In dieser Funktion hat das LPAC zusammen mit anderen Planungsorganisationen eine Empfehlung zur Förderung des Zufußgehens in London entwickelt. Zu dieser Empfehlung konnten bis Mitte 1997 Stellungnahmen abgegeben werden. Auf dieser Basis soll dann eine Strategie zur Förderung des Zufußgehen im gesamten Großraum London verabschiedet werden. Die wesentlichen Inhalte der Empfehlung wurden in einer öffentlichkeitsgerechten Broschüre festgehalten und publik gemacht. Basis der Empfehlung war unter anderem eine umfangreiche Studie der Metropolitan Transport Research Unit (MTRU) zur Begründung, zu den Zielen und zur möglichen Umsetzung einer fußgängerfreundlichen Planung.
Inhalt
Die wichtigsten Elemente der Förderstrategie für den Fußgängerverkehr werden wie folgt benannt:
- Es soll die zukünftige Rolle des Zufußgehens im Verkehr von London bestimmt werden. Dazu soll unter anderem eine "Vision" (ein Leitbild) zum Gehen in London dienen.
- Die Vision soll in konkreten verkehrspolitischen und -planerischen Aktivitäten ausformuliert werden.
- Zu diesen Aktivitäten werden Ziele und ein Zeitplan entwickelt.
- Es sollen schließlich die Mechanismen der Umsetzung und der Finanzierung sowie die Formen der Erfolgskontrolle festgelegt werden, damit klar ist, wer mobilisiert und einbezogen werden muss.
Die Vision bzw. das Leitbild wird unter anderem in folgende Teilziele aufgegliedert:
- Anzustreben ist eine Zunahme der zu Fuß zurückgelegten Personenkilometer in London um jährlich ein Prozent, der Verkehrsmittelanteil des Gehens soll bis zum Jahr 2006 um fünf Prozentpunkte, von 34 % auf 39 %, gesteigert werden.
- Allgemein soll die Fußgängersicherheit verbessert werden. Es wird jedoch darauf hingewiesen, daß der Fußgängerverkehr bislang häufig nur unter dem Sicherheitsaspekt betrachtet wurde und die Effekte auf die Lebensqualität und auch die Umweltfreundlichkeit des Gehens zu wenig wahrgenommen wurde.
- Für wichtige Ziele des Fußgängerverkehrs, wie Schulen, Stadtzentren und Knotenpunkte des öffentlichen Verkehrs, soll die Zugänglichkeit in besonderem Maße verbessert werden.
- Betont wird die große Bedeutung der Bewußtseinsbildung zum Zufußgehen: Die Maßnahmen in diesem Bereich reichen von einer besseren/vollständigeren Erhebung des Fußgängerverkehrs, über öffentlichkeitsbezogene Kampagnen, bis hin zur Weiterbildung von Verkehrsplanern und Entscheidungsträgern in Fragen des Fußgängerverkehrs.
- Ein Teilziel besteht darin, Fußgängerfragen stärker in die Flächennutzungsplanung und die Planungen für den öffentlichen Verkehr einzubeziehen. Auch soll bei Neubauvorhaben/Entwicklungsmaßnahmen von vornherein besser auf Fußgängerbelange eingegangen werden.
- Die laufende fachliche Beobachtung der Maßnahmenumsetzung (das Monitoring) wird als integraler Teil der Strategie gesehen.
Aus den vorliegenden Verkehrserhebungen in London wird abgeleitet, daß das Zufußgehen mit einem Verkehrsmittelanteil von teilweise über 30 % (je nach Gebiet) ein zentrales Element des Lebens in London ist und es daher an der Zeit sei, eine umfassende Strategie zu entwickeln, zumal die nationalen Verkehrshebungen für Greater London einen Rückgang des Fußwegeanteils anzeigen: von 36 % in der Periode 1975/76 auf 34 % in den Erhebungen 1992/94. Die Chancen einer Förderung des Gehens werden als gut eingestuft, da viele Teile der Stadt eine relativ hohe Bebauungsdichte und eine Mischung verschiedener Formen der Landnutzung aufwiesen.
Im Sinne einer Verbesserung der Planungsgrundlagen sollen bessere Informationen erhoben werden. Unterschieden werden vier Arten von zu Fuß zurückgelegten Wegen: zielbezogene Wege zu Fuß (Access Mode), zielbezogene Wege, bei denen Fußwege im Sinne einer Etappe mit anderen Verkehrsmitteln verknüpft sind (Access Sub-Mode), Zwischenwege/Wege im Zuge eines Aufenthaltes in einem Gebiet etc. (Circulation/Exchange), Wege im Rahmen von Freizeit- und Erholungsaktivitäten (Recreation/Leisure).
Die Teilziele des entwickelten Leitbildes für den Fußgängerverkehr werden in einem kleinen, der Empfehlung beigegebenen Anhang präzisiert; es werden Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen die Ziele erreicht werden sollen, wer daran zu beteiligen ist und bis wann die Aktivitäten laufen sollen.
Bewertung
Die Empfehlungen stellen den anspruchsvollen Versuch dar, die Thematik der fußgängerfreundlichen Planung auf breiter Basis in einer europäischen Metropole zu verankern. Dies geschieht vor allem in strategischer Hinsicht unter Berücksichtigung und Nennung der dafür in Frage kommenden Akteure, der Aktivitäten und der erforderlichen Zeitplanung. In diesem Sinne ist das Vorgehen in London - mit Erarbeitung einer Grundlagenstudie zum Fußgängerverkehr, der Abstimmung des Strategieentwurfs auf der örtlichen Ebene und der anschliessenden Beschlußfassung - als Vorbild für deutsche Städte anzusehen. Man denke etwa an ein Förderkonzept "Fußgängerverkehr" im Rahmen von Aktivitäten zur Lokalen Agenda 21. Auf die nach den Beratungen verabschiedete Empfehlung und ihre Umsetzung in London darf man gespannt sein.
Titel:
Broschüre (6 S.): Putting London back on ist feet. A strategy for walking in London. Empfehlung als "Consultation draft": Advice on a strategy for walking in London (Supplementary walking advice). London: LPAC 1997
Bezug:
London Planning Advisory Committee (LPAC), Artillery House, Artillery Row, London SW1P 1RT, Tel. 0044/(0)171 222 2244; Fax. 0044/(0)171 222 2656; E-Mail:
Impressum:
Erstveröffentlichung dieses Beitrages im InformationsDienstVerkehr IDV, August 1997. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail:
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