Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 41/2004
Ausgangslage
Der Arbeitsausschuss "Fußgängerverkehr" der Österreichischen Forschungsgemeinschaft Straße und Verkehr (FSV) hat im August 2004 Richtlinien zum Fußgängerverkehr herausgegeben, die den Stand der Technik in Österreich darstellen und für die Anwendung auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene im gesamten Bereich des Straßenbaus empfohlen werden.
Inhalt
Das 15-seitige "Merkblatt" behandelt die Aspekte Verkehrssicherheit, Fußwegenetze, Entwurfsgrundlagen, Streckenbereich (Längsverkehr) und Querungshilfen.
Die Belange der Verkehrssicherheit sollen bei der Planung von Verkehrsanlagen, die von Fußgängern benutzt werden, vordringlichst beachtet werden. Bei der Verwirklichung neuer Maßnahmen sollen deren Sicherheitsauswirkungen nachher überprüft werden. Als häufige Ursachen von Fußgängerunfällen werden zu hohe Kfz Geschwindigkeiten, Verparkung der Eckbereiche von Kreuzungen, das Fehlen einer getrennten Signalisierung von Fußgängern und Abbiegern sowie zu fange Wartezeiten an Lichtsignalanlagen explizit erwähnt.
Fußwegenetze sollen aus der Verbindung potenzieller Ziel- und Quellpunkte des Fußverkehrs entwickelt werden. Im Hinblick auf die rasche Verwirklichung von flächendeckenden Wegenetzen werden einfache Netzschlüsse und die Sanierung von Unfallhäufungsstellen als vordringliche Maßnahmen empfohlen. Weitere Kriterien der Netzplanung sind die Barrierefreiheit, die Rücksichtnahme auf den Fußgängerverkehr bei Radfahranlagen, das Vermeiden von Umwegen und Steigungen sowie die Gewährleistung der sozialen Sicherheit.
Bei den Entwurfsgrundlagen wird von mittleren Gehgeschwindigkeiten für verschiedene sozio-demografische Gruppen sowie Wegzwecke ausgegangen. Als Mittelwert werden 1,4 m/s angesetzt (immerhin rund 5 km/h), die Spanne reicht von Personen mit kleinen Kindern (0,7 m/s), Frauen über 50 Jahren (1,3 m/s) bis zu Jugendlichen (1,8 m/s). Für eine freizügige Be-wegung der Fußgänger wird eine Mindestfläche von 3,25 M2 pro Fußgänger verlangt (0,3 Personen pro m').
Längsverkehr - Die Breite des von allen Hindernissen freizuhaltenden Verkehrsraums für Fuß-gänger wird auf Mindestens 2,00 m angesetzt, bei höherer Verkehrsstärke entsprechend mehr (z.B. bei 1 000 Fußgängern pro Stunde im Mittel 3,00 m, bei 1.500 Fußgängern rund 3,50m, mit einer Bandbreite). Je noch Anlageverhältnissen sollen dann noch Breitenzuschläge hinzu kommen: so z.B. ein Schutzstreifen zur Fahrbahn von 50 cm im Falle einer zulässigen Fahrgeschwindigkeit Vzul über 30 km/h und von einem Meter bei Vzul > 50 km/h. Bei zu erwartender starker Mitbenutzung der Fußgängeranlage durch Inlineskater ist die Breite pro Richtung um 0,50 m zu erweitern.
Als Aufenthaltsfläche bei stärker frequentierten ÖPNV Haltestellen wird von 1,50 m ausgegangen. Als Regelbreite für selbständig geführte Gehwege werden 2,00 m angesetzt. Eine gemeinsame Führung von Fußgängern und Kraftfahrzeugen im untergeordneten Straßennetz wird immerhin bis zu einer zulässigen Geschwindigkeit bis 30 km/h ermöglicht. Bei der Neuanlage von gemischten Geh und Rodwegen sind Breiten von 3,0 m anzustreben, zuzüglich mindestens 0,5 m Schutzstreifen zur Fahrbahn. Das Radfahren in Fußgängerzonen wird nur bei geringen Fußgängerdichten von höchstens einem Fußgänger pro 10 Quadratmeter oder zu Zeiten geringeren Fußgängeraufkommens empfohlen.
Querungshilfen: Bauliche Maßnahmen beziehen sich auf die Gehsteigvorziehung, Mittelinseln und die Fahrbahnaufpflasterung. Als verkehrsrechtliche Maßnahmen kommen der Fußgängerüberweg (Schutzwege) und signalgeregelte Schutzweg zum Einsatz. Bei Fußgängerüberwegen wird ein Mindestabstand von 250 m vorgesehen. Die Einsatzvoraussetzungen von Oberwegen werden anhand eines differenzierten Beurteilungsverfahrens bestimmt, bei dem die Kfz-Belastung in der Spitzenstunde sowie das Fußgängeraufkommen die zentralen Kriterien darstellen. Kein Fußgängerüberweg wird generell bei Fußgängerstärken von unter 25 Fußgängern/h, bei z.B. weniger als 100 Fußgängern und weniger als 100 Kfz pro Stunde oder bei 350 Fußgängern und weniger als 75 Kfz/h erforderlich. Darüber ist er bedingt oder auf jeden Fall erforderlich.
An lichtsignalgeregelten Überwege sollen die Grünzeiten für langsame Fußgänger für Gehgeschwindigkeiten von 1,0 m/s bemessen sein, um die Hälfte der zu querenden Strecke zurückzulegen. Das Queren in Etappen wird genauso wie lange Wartezeiten für Fußgänger als problematisch angesehen. Eine Signalisierung von abbiegenden Fahrzeugen auf eigenem Abbiegestreifen soll getrennt von Fußgängern erfolgen, wobei aber unzumutbare Wartezeiten für Fußgänger vermieden werden sollen. Unter- und Überführungen für Fußgänger sind nach der Richtlinie grundsätzlich zu vermeiden.
Bewertung
Bei der Richtlinie handelt es sich um eine knappe Darstellung der planerischen Empfehlungen für die wichtigsten Aspekte des Fußverkehrs. Dem Anwender bleibt noch eine gewisse Freiheit bei der Anpassung der Empfehlungen an die jeweilige Situation. Die wichtigsten Festlegungen werden in Tabellen und Grafiken dokumentiert und mit Zeichnungen verdeutlicht.
Titel:
RVS 3.12/ Merkblatt Strassenplanung nichtmotorisierter Verkehr Fußgängerverkehr. Ausgabe 1. August 2004
Herausgeber:
Österreichische Forschungsgemeinschaft Straße und Verkehr (FSV), Wien
Bezug:
bei der FSV, Karlsgasse 5, A 1040 Wien, Tel. 0043/1/5855567, e Mail:
Impressum:
Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Dezember 2004. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail:
Möchten Sie, dass eine aktuelle Fachliteratur mit einem deutlichen Fußverkehrs-Bezug im Kritischen Literaturdienst Fußverkehr besprochen wird, nehmen Sie bitte mit FUSS e.V. Kontakt auf.