Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 46/2005
Ausgangslage
In mehreren Schweizer Städten wurden in den letzten Jahren Leitsysteme für FußgängerInnen eingerichtet. Vorwiegend richten sie sich an auswärtige Besucher und Touristen. Das in Bern Mitte 2005 eingeweihte Fußgängerleitsystem weist eine Besonderheit auf: Es ist im wesentlichen auf die Innenstadt bezogen, wird aber durch drei Themenwege ergänzt, die im Zusammenhang mit dem im Juni 05 eröffneten, am Stadtrand gelegenen Paul Klee Zentrum (Museum) angelegt wurden.
Inhalt
Politische Prioritätensetzung: Im Jahr 2001 beschloss der Gemeinderat der Stadt Bern (die Exekutive der Stadtdirektoren) auf Initiative von kulturellen Institutionen den Entwurf eines Wegweisungs- und Informationssystems für Fußgänger, das sich an Besucher wie Einwohner richten soll. Es soll ein zentrales Element eines überzeugenden städtischen Auftritts gegenüber der Öffentlichkeit sein und mit einer guten Gestaltung einen Beitrag zur “Corporate Identity” der Stadt leisten. Die Realisierung des Leitsystems ist in der Legislaturplanung der Gemeindeverwaltung von 2005-2008 verankert, allerdings nicht im Bereich der Verkehrsplanung, sondern beim Innenstadtmarketing, das in Kooperation mit dem Gewerbe, Privaten und Organisationen betrieben wird.
Die schnelle Realisierung des Leitsystems war vermutlich durch mehrere Großanlässe befördert worden, die wahrscheinlich ein “Gelegenheitsfenster” geöffnet haben: die Eröffnung des Paul Klee Zentrums, das Einstein-Jahr (Einstein lebte mehrere Jahre in der Stadt), die Eröffnung des neuen Wankdorf-Stadions (“Stade de Suisse”) sowie die Umsetzung einer umfangreichen ersten Etappe der Verkehrsberuhigung in der Innenstadt; das nächste Grossereignis wird die Fußball-EM 2008 sein.
Finanzierung: Von den Realisierungskosten des innerstädtischen Fußgängerleitsystems von 850.000 Franken (rund 550.000 Euro) wurden 600.000 Franken privat getragen: durch die staatliche Telefongesellschaft Swisscom sowie eine private Stiftung. Der kleinere städtische Teil stammte aus einem per Volksentscheid bewilligten Erschließungskredit für das Paul Klee Zentrum. Die Stadtverwaltung übernahm darüber hinaus die Projektleitung für die Umsetzung.
Innerstädtisches Fußgängerleitsystem: An 54 Standorten wurden Wegweisungs- und Informationselemente installiert; Anschlusspunkte sind der Bahnhof, wichtige Tram- und Bushaltestellen sowie Parkhäuser. Ausgewiesen werden v.a. innerstädtische Sehenswürdigkeiten und kulturelle Einrichtungen (Museen etc.); Hauptelement des Leitsystems sind Stelen, 2,40 m hoch, 36 cm breit und in hellen Farben auf dunklem Grund beschriftet. In ihrer dunkelgrünen Farbe passen sie sich gut den typischen Fassadenfarben der Berner Altstadt an, können dadurch jedoch auch leicht übersehen werden.
An drei Stellen stehen große Orientierungstafeln mit einem differenzierten Innenstadtplan sowie Informationslisten (u.a. mit Straßenverzeichnis). Daneben gibt es örtlich Orientierungspläne für Stadtteile mit Detailkarten (unter anderem mit Hinweisen auf Fußgängerpromenaden, Bushaltestellen, WC, Parkplätze, Museen).
Wege zu Klee: Drei thematische Wege, die die Biographie und den künstlerischen Werdegang des Malers Paul Klee dokumentieren, ergänzen das Fußgängerleitsystem in der Innenstadt und erweitern es nach Osten. Zwei Wege führen vom Hauptbahnhof zum Zentrum Paul Klee und wieder zurück (5 und 4 km), ein Rundweg (6,5 km) führt vom Zentrum Paul Klee zu Stationen in der Gemeinde Ostermundigen. Diese Wege entstanden aus der Initiative von Privaten sowie der Gemeinde Ostermundigen und wurden mit Unterstützung des kantonalen Lotteriefonds verwirklicht. Sie sind in das Berner Fußgängerleitsystem eingebunden. Im gleichen Design werden folgende Informationselemente verwendet:
a) grosse Orientierungstafeln mit Plänen (z.B. am Bahnhof), b) Stelen an 32 Wegstationen mit Ausschnitten aus Werken von Paul Klee mit textlichen Erläuterungen in drei Sprachen, c) schmale Stelen seitlich an den breiteren städtischen Stelen mit Richtungsangabe eines Wegs zu Klee, d) solitäre schmale Jalons mit Richtungspfeilen an Abzweigungen, e) selten auch kleine Richtungsschilder als Zusatz an Straßenschildern.
Die Wege werden außerhalb der Innenstadt teilweise durch parkähnliche Landschaften geführt, nur selten entlang stark befahrener Straßen, die Strecken des Hinwegs vom Bahnhof und des Rückwegs sind verschieden.
Bewertung
Das Berner Leitsystem für FußgängerInnen zeigt, wie ein innerstädtisches Leitsystem gut durch Themenwege überlagert und räumlich ausgeweitet werden kann. Zudem können auch anspruchsvolle Inhalte (Bildausschnitte etc.) gut dargestellt werden. Die Ausführung ist in Bezug auf Inhalte, Gestaltung und technische Ausführung vorbildlich. Für die Orientierung entlang der “Wege zu Klee” ist ein Flyer nützlich (auch per Internetdownload verfügbar), da die Stelen nur in grösseren Abständen voneinander stehen.
Zu den Themenwegen wird außerdem vom Zentrum Paul Klee, von Berntourismus am Bahnhof sowie von der Gemeinde Ostermundigen eine ausführlichere, attraktive Broschüre mit dem Inhalt der Stationstafeln vertrieben. Informationen zu den Wegen zu Klee sowie zum Fußgängerleitsystem sind auf Internet nur versteckt zu finden. Auf der Seite von Berntourismus und des Zentrums Paul Klee werden sie unter der Rubrik “Anreise” nicht aufgeführt, das Zufußgehen wird noch nicht als Anreisemöglichkeit im städtischen Verkehr empfohlen.
Titel und Herausgeber:
Zentrum Paul Klee (Hrsg.): Wege zu Klee. Bern 2005., Preis 15 Franken (ca. 10 Euro)
Bezug:
www.zpk.org (Suche “Wege zu Klee”), Flyer: www.zpk.org/de/data/pdf/pk060_flyer_d_nach_ak.pdf Pressemitteilung zum Fussgängerleitsystem Bern: http://www.bern.ch/online/aktuell/2004/08/4354
Impressum:
Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, März 2006. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail:
Möchten Sie, dass eine aktuelle Fachliteratur mit einem deutlichen Fußverkehrs-Bezug im Kritischen Literaturdienst Fußverkehr besprochen wird, nehmen Sie bitte mit FUSS e.V. Kontakt auf.