Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 76/2013
Ausgangslage
Ein Schwerpunkt im Unfallgeschehen sind Unfälle von Zufußgehenden, deren Anzahl sich zudem in den letzten Jahren nicht nennenswert verringert hat. Pro Jahr sind (in der Schweiz) immer noch rund 2.500 Fußgängerunfälle festzustellen. Immerhin 38 % davon finden auf Fußgängerstreifen statt (in der Schweiz sind sowohl Fußgängerfurten von Lichtsignalanlagen als auch Fußgängerüberwege mit Zebrastreifen markiert). In Bezug auf die Entstehung dieser Unfälle besteht ein Forschungsbedarf, will man wirkungsvolle Interventionen vornehmen. Aus dieser Motivation heraus hat eine Gruppe von Experten von Fussverkehr Schweiz und der Dienstabteilung Verkehr der Stadt Zürich mit finanzieller Unterstützung des Fonds für Verkehrssicherheit eine detaillierte Analyse der Unfälle von Zufußgehenden in der Stadt Zürich vorgenommen und einen besonderen Fokus auf Fußgängerstreifen gelegt.
Grundlagen dafür waren die Daten des Unfallaufnahmeprotokolls der Verkehrsunfallstatistik der Jahre 2003 bis 2010, die mit weiteren Merkmalen zum Unfallort ergänzt wurden.
Inhalt
Der veröffentlichte Bericht gibt einen Überblick über das Aufkommen an Unfällen auf Fußgängerstreifen, zeigt zeitliche und räumliche Muster auf, geht den infrastrukturellen und örtlichen Umfeldbedingungen nach und arbeitet Unterschiede in der Unfallbeteiligung nach Alter und Geschlecht heraus.
Von den ausgewerteten 1.758 polizeilich erfassten Unfällen von Zufußgehenden in der Stadt Zürich fanden 789 (45%) beim Queren auf dem Fußgängerstreifen einer Lichtsignalanlage (LSA) oder auf einem Fußgängerüberweg (FGÜ) statt. In 23% der Unfälle war eine Lichtsignalanlage in Betrieb. Der typische Unfall von Zufußgehenden geschah also auf einer Strecke (außerhalb eines Knotens) ohne LSA-Regelung.
Die Unfallrate bei Frauen lag höher als bei Männern. Korrigiert mit der höheren Exposition (Teilnahme am Fußverkehr) der Frauen verschwinden die Geschlechterunterschiede aber weitgehend. Was bleibt, ist aber der hohe Anteil der Männer an den in Fußgängerunfälle verwickelten Fahrzeuglenkenden.
Auffallend ist die Unfallhäufung am späten Nachmittag und frühen Abend im Winterhalbjahr, was auf eine Kombination ungünstiger Licht- und Witterungsverhältnisse und hoher Verkehrsbelastungen des Fuß- wie auch des Fahrverkehrs zurückgeführt wird.
Aus dem Fehlen von örtlichen Schwerpunkten wird geschlossen, dass die Unfallursachen nicht primär in einer mangelhaften lokalen Infrastruktur zu suchen sind. An LSA-geregelten Fußgängerstreifen bei ÖPNV-Haltestellen kam es nicht zu einer erhöhten Unfallhäufigkeit.
Ein unvermitteltes Betreten der Fahrbahn durch Fußgänger war, entgegen der öffentlichen Diskussion, kein häufiger Unfallgrund. Im Gegenteil: Die Hälfte der Unfälle geschah auf dem zweiten bzw. weiteren Fahrstreifen. Markant ist auch der hohe Anteil Verunfallter, die aus Sicht der Fahrzeuglenkenden von links kamen. Die Autoren fordern daher, diese Problemsituation vertieft zu analysieren und Maßnahmen zu entwickeln. Dies betrifft z.B. den toten Winkel durch die A-Säule der Autos (Verbindung zwischen Fahrzeugdach und vorderer Spritzwand), Inselschutzpfosten, die Montage von Signalen sowie den Aufmerksamkeitsfokus der Autofahrenden und der Zufußgehenden.
Weitere Empfehlungen betreffen die Ausgestaltung von Sensibilisierungskampagnen, das Erheben von expositionsbereinigten Daten und das Erfassen spezifischer Bedingungen, wie z.B. der Sichtweiten.
Bewertung
In der Arbeit werden die einzelnen möglichen Einflussgrößen und Rahmenbedingungen für Fußgängerunfälle systematisch untersucht. Darüber hinaus werden unterschiedliche Konstellationen von Angebotsbedingungen (Anzahl Fahrstreifen, Gegenverkehr, Vorhandensein einer Insel) in ihren Konsequenzen betrachtet. Zugute kommt diesen differenzierten Analysen die Tatsache, dass die Stadt Zürich über die Unfallstatistik des Bundes hinausgehend zusätzliche Unfallmerkmale erhebt.
Sehr zweckmäßig ist der Ansatz, die verfügbaren Daten zur Exposition einzelner Bevölkerungsgruppen (anhand ihrer Verkehrsleistung zu Fuß und mit Kraftfahrzeugen) zu nutzen. Damit können Fehlschlüsse vermieden und geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Unfallverursachung und der -beteiligung genauer unter die Lupe genommen werden. Der Handlungsbedarf wird relativ klar erkennbar. Und es werden bereits Hinweise zu den Handlungsfeldern und möglichen einzelnen Maßnahmen gegeben. Aufgrund der statistisch-analytischen Zielrichtung der Arbeit müssen die Empfehlungen insgesamt freilich noch recht allgemein bleiben.
Die festgestellten komplexen Probleme erfordern weitere maßnahmenbezogene Abklärungen. Insbesondere betrifft dies die hohen Unfallzahlen in den winterlichen Abendstunden und den hohe Anteil von Unfällen mit Zufußgehenden, die aus Sicht der Fahrzeuglenkenden von links kommen. Erkennbar wird auch, dass die Datengrundlagen weiter verbessert werden sollten, insbesondere, was die Routenwahl und die Wahl der Querungsstellen anbelangt, damit die Exposition der Zufußgehenden in unterschiedlichen Querungssituationen noch genauer berücksichtigt werden kann. Bei der Darstellung der Analyseergebnisse zeichnet sich der Bericht durch eine große Detailfülle aus. Das Dokument ist insgesamt aber gut lesbar. Die Argumentation ist in Bezug auf den weiteren Handlungsbedarf gut nachvollziehbar.
Titel:
Unfälle auf Fussgängerstreifen in der Stadt Zürich. Detailauswertung der Verkehrsunfallstatistik 2003-2010, Zürich 2012: Fussverkehr Schweiz & Stadt Zürich (DAV), 44 S.
Verfasser:
Thomas Schweizer, Wernher Brucks, Mathieu Pochon, Christian Thomas
Bezug:
Download gratis als PDF bei: www.fussverkehr.ch
Impressum:
Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, August 2013. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail:
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