Rückblick auf den 1. Fußverkehrspreis

Logo 1. Fußverkehrspreis Deutschland

Den ersten deutschen Fußverkehrspreis haben die Stadt Kiel und die Gemeinde Pleidelsheim in Baden-Württemberg gewonnen. Mit dem Preis zeichnen wir Projekte aus, die das Gehen attraktiver machen und Städte beleben.

„Immer mehr Menschen setzen sich dafür ein, dass sie sicher und gut zu Fuß durch ihren Ort kommen“, sagte bei der Preisverleihung am 30. Januar Ruth Hammerbacher, Juryvorsitzende und Fuss e.V.-Vorstand. „Auf dieses Bedürfnis gehen die ausgezeichneten Kommunen in vorbildlicher Weise ein.“ DrKatrin Dziekan, Abteilungsleiterin am Umweltbundesamt, würdigte die Preisträger: „Es gibt tolle Vorreiter-Kommunen, die mit ihren innovativen Ideen den Fußverkehr fördern. Es ist wichtig diese Beispiele zu würdigen und sie in die Breite zu tragen.“ Dziekan hob die Bedeutung des alltäglichen Gehens hervor: „Wir brauchen den Fußverkehr für die Mobilitätswende – für die kürzeren Entfernungen, aber auch als Zubringer zu anderen Verkehrsarten, vor allem zu Bus und Bahn.“

Kiel bekam den Preis für ein „bespielbares Quartier“: Straßenumbauten im Stadtteil Ellerbeck / Wellingdorf, die besonders Kindern zugutekommen. In Pleidelsheim analysierte die Initiative „Ökologisch mobil“ Gefahrenstellen, Brennpunkte und positive Beispiele und entwickelte einen Katalog für besseren Fußverkehr, den die Gemeinde jetzt Stück für Stück umsetzt. Einen Sonderpreis gab es für das „Parklet“-Programm des Berliner Senats: Holzflächen mit Sitzbänken und Grün auf bisherigen Parkplätzen, die das Umfeld verschönern, zum Aufenthalt einladen und damit auch das Gehen im Quartier fördern.

Für den Fuss e.V. wies Ruth Hammerbacher bei der Preisverleihung auf ein bundespolitisches Problem hin: „Viele Städte und Gemeinden würden gern mehr für den Fußverkehr tun. Aber sie dürfen nicht, weil veraltete Vorschriften ihnen vieles verbieten oder stark erschweren – zum Beispiel mehr Spielstraßen, Zebrastreifen und menschenfreundliche Geschwindigkeiten.“ Auch für Katrin Dziekan ist „eine Änderung des Rechtsrahmens dringend erforderlich. Damit Zufußgehen sicherer und attraktiver wird, wäre auch Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts ein entscheidender Schritt.“

Die Vortragsfolien von der Tagung „Bei uns geht’s besser“ können hier eingesehen und heruntergeladen werden.

Die Preisverleihung und Tagung fanden im Rahmen des FUSS e.V.-Projektes „Gut gehen lassen – Bündnis für attraktiven Fußverkehr“ statt, das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und vom Umweltbundesamt (UBA) gefördert wird.

Die Siegerprojekte im Überblick

Kiel

Kinder und Barrierefreiheit im Fokus

Kinder laufen über wellenförmige Spielelemente aus Beton entlang eines Gehweges.
Foto: Christoph Edelhoff

In Kiel stehen alle Zeichen auf Mobilitätswende. Einer der wichtigsten Bausteine der Mobilitätswende ist die Förderung des Fußverkehrs. Im Stadtteil Ellerbek / Wellingdorf wurde unter dem Motto „Bespielbares Quartier“ ein Maßnahmenkonzept erarbeitet, das nur Kinder als Verkehrsteilnehmende in den Fokus rückt und darüber hinaus zu einer generellen Stabilisierung und Erweiterung des Fußverkehrs beitragen soll.

Besonders gewinnbringend ist die Umgestaltung der Straße „Kieler Kuhle“ zum Kinderweg. 2018 wurde versuchsweise ein Teilbereich in Höhe eines Kinderspielplatzes für den Kfz-Verkehr gesperrt. Es zeigte sich, dass die Fläche rege durch Kinder genutzt wird und zur Verkehrsberuhigung beiträgt. Der dauerhafte kinderfreundliche Umbau begann im Frühjahr 2021. Drei eingebaute Fahrbahnkissen verhindern zu schnelles Fahren in der Straße, ein Gehweg wurde neugestaltet. Bespielbare Betonelemente und gepflanzte Bäume laden ein, den Straßenbereich aktiv zu nutzen.

In der Danziger Straße wurden Gehwege neu gepflastert, Stolpersteine und Hindernisse gehören seither der Vergangenheit an. Außerdem wurden an Kreuzungen die Bordsteine abgesenkt und Gehwegnasen eingebaut. Ergänzend dazu wurden Blindenleitelemente in Form von weißen Rillenplatten verlegt und weitere Fahrradbügel aufgestellt.

Pleidelsheim

Bürgerschaft und Verwaltung gemeinsam

Maßnahme für mehr Platz zum Gehen in der Gemeinde Pleidelsheim.
Foto: ÖmiP

Im Rahmen des „Ökologie Konzepts Pleidelsheim“ von 2019 gründete sich die Arbeitsgruppe „Ökologisch mobil“, an der sich alle Menschen im Ort beteiligen konnten. Sie hat den gesamten Ort mit 6.500 Menschen und vier Wohnvierteln auf sichere und komfortable Fußwege, Querungsstellen und Aufenthaltsflächen analysiert. Außerdem wurde an alle Eltern der Kindergarten- und Grundschulkinder ein Fragebogen zur Wegesituation verteilt.

Das ergab einen Katalog von Maßnahmen für einen besseren Fußverkehr. Er wurde priorisiert und kategorisiert in Gefahrenstellen, Brennpunkte, verbesserungswürdige Stellen und positive Beispiele. Aus jedem Wohnviertel soll es zukünftig eine bequeme, attraktive und sichere Hauptroute ins Ortszentrum geben.

Die ersten Maßnahmen zur Verbesserung erfolgten Ende 2020. Sie wirken sich bereits positiv aus, da aus der Bevölkerung lobende Rückmeldungen kommen und sichtbar mehr Menschen zu Fuß unterwegs sind. Das Besondere und Innovative an dem Konzept ist, dass so viele kreative Ideen und viel Engagement aus der Bürgerschaft kommt und die Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung stets respektvoll, offen und ehrlich ist.

Berlin

Parklets fürs Quartiersleben

Parklet in Berlin
Foto: Adrian Pfalzgraf

Kiez-Parklets sind von Nachbarschaftsinitiativen aus Holz gebaute Flächen, die auf einen bisherigen Pkw-Parkplatz auf die Straße gestellt werden und als grüne Beete, überwiegend mit Sitzbänken ausgestattet, das Umfeld verschönern. Sie erhöhen die Aufenthaltsqualität, schaffen Sitzgelegenheiten und fördern somit den Fußverkehr vor Ort. Gerade in grau geprägten Räumen können mit Parklets neue grüne Wohlfühlorte entstehen. Auch können zum Beispiel Kindergärten ohne eigenen Garten in der hochverdichteten Innenstadt erstmals Pflanzflächen zur Verfügung gestellt werden.

Mit Hilfe der Parklet-Förderung des Berliner Senats wurden bisher 65 Parklets von Nachbarschaftsinitiativen und Vereinen vor Ort gebaut; pro Parklet entstanden durchschnittliche Kosten von rund 3.500 Euro. So sind an vielen Stellen neue grüne Oasen in Wohnquartieren entstanden. Die Materialien wurden vom Projektteam in Sammelbestellungen beschafft, was erhebliche Kosten spart.

Die neuen Parklets wurden vom überwiegenden Teil der Nachbarschaft positiv aufgenommen. Sie sind ein kleiner Baustein auf dem Weg, Städte für Menschen attraktiver zu machen – und nicht zuletzt die Straßen für und durch örtlichen Fußverkehr zu beleben und zu erleichtern.

Das Projekt wurde gefördert von: