Das Projekt „Kinder bewegen sich selbst – und ihre Welt“ wurde im Zeitraum Januar 2020 – Dezember 2022 von FUSS e.V. durchgeführt. Es hatte zum Ziel, mit Kindergruppen deren Mobilitätsalltag zu untersuchen, Qualitäten und Defizite herauszuarbeiten, Verbesserungen zu konzipieren und umzusetzen. Das soll bewirken, dass Menschen und insbesondere Kinder mehr, lieber und unter besseren Bedingungen zu Fuß gehen. In sechs deutschen Städten wurde mit Kindergruppen mit einer Stärke bis ca. 25 Kindern (Größe einer Schulklasse) gearbeitet.
Kinder gehen’s an
Nach der Studie des Bundesverkehrsministers „Mobilität in Deutschland 2017“ legen 7- bis 10-Jährige 35 % ihrer Wege vollständig zu Fuß zurück – das ist ein höherer Anteil als in jeder anderen Altersgruppe. Bei den 11- bis 13-Jährigen sinkt der Anteil der Fußwege bereits wegen der zunehmenden Fahrradnutzung und der größeren Entfernung zu Schulen auf 23 %, ist damit aber immer noch höher als in allen Gruppen im Erwerbsalter bis 65 Jahre. Kinder sind also eine besonders wichtige und potenzialstarke Zielgruppe, wenn es um Fußverkehr geht.
Es gibt gravierende Defizite, die Kinder am Gehen hindern: Bei der Gestaltung des Straßenraums, der Verkehrsplanung und -überwachung haben Kinder meist nur geringen Stellenwert. Wege und Querungen sind unzureichend, Verstöße von Fahrzeuglenker:innen werden kaum geahndet. Eine ausführliche Darstellung der sich aus den Regelwerken ergebenden Mindestbreiten von Gehwegen bietet unsere Broschüre „Wie breit müssen Gehwege sein?“. Ihre Mobilität und ihre Möglichkeiten zur Welterforschung und -erschließung werden eingeschränkt. Sie erreichen manche Orte gar nicht, zu denen sie sich sonst bewegen würden und andere Orte nur in Begleitung Erwachsener.
„Elterntaxis“ haben eine Negativspirale in Gang gesetzt: Je mehr Eltern ihre Kinder per Auto zur Schule bringen und abholen, desto unsicherer und unangenehmer wird der Schulweg zu Fuß für andere die dann ebenfalls gefahren werden.
Konventionelle Verkehrserziehung lehrt frühzeitig: Wer im Auto sitzt, ist privilegiert. Das prägt frühzeitig das künftige Mobil itätsverhalten. Kinder lernen , Defizite im Verkehrsraum und Verkehrsrechte als gegeben und nicht veränderbar hinzunehmen. Ihnen wird die Haltung vermittelt „Die Straße bestimmt das Verhalten des Menschen und nicht der Mensch die Gestaltung der Straße, ihre Nutzbarkeit und die hier geltenden Regeln.“
Damit lernen Kinder ein Verkehrs und Alltagsverhalten, das für sie selbst, ihre jetzigen und künftigen Lebensorte und für das Verkehrsgeschehen insgesamt von Nachteil ist: Ihre eigene Mobilität wird direkt, die Mobilität anderer langfristig indirekt eingeschränkt, indem die Bewegung zu Fuß, auf dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln gering geschätzt und andere durch eigenen Autogebrauch dabei behindert werden.
Direkte Zielgruppe sind Kinder vom 3. bis 6. Schuljahr (ca. 8 bis 12 Jahre alt). An sechs unterschiedlich strukturierten Orten (große und kleinere Städte, urbane und suburbane/ländliche Raum und Verkehrsverhältnisse) werden mit Hilfe von Schulen, Betreuungseinrichtungen, Elternvertretern und -gruppen, Stadtteilinitiativen und -vereinen, lokalen Verkehrsinitiativen o.a. Gruppen mit einer Stärke bis ca. 25 Kindern (Größe einer Schulklasse) gebildet. Bis zu 150 Kinder werden also direkt erreicht.
Indirekte Zielgruppen sind Menschen im Umfeld der Kinder: andere Kinder, Eltern, Lehrer:innen, Nachbar:innen. Die an den Projekten beteiligten Kinder vermitteln ihre Erfahrungen, Erkenntnisse und Veränderungsversuche, wecken Verständnis und motivieren möglichst auch andere, in dieser Richtung aktiv zu werden.
Im ersten Schritt ermitteln die Kinder, wie sie im Alltag mobil sind, was ihnen Freude macht, was sie beschränkt, gefährdet, ängstigt. Die Kinder gewinnen Kenntnisse und Bewusstsein über ihre Verkehrs-Umwelt und dokumentieren das auf ihre Art (gemalt, geschrieben, fotografiert, gebastelt).
Im zweiten Projektschritt erkunden die Kinder, ob es in ihrem Umfeld neue Wege und Routen gibt, und probieren sie aus. Wo auf altbekannten und neu entdeckten Wegen Mängel und Gefahren auftreten, erarbeiten sie Verbesserungsvorschläge. Denkbar ist alles vom Zebrastreifen über schmalere Fahrbahnen, nicht mehr beparkte Gehwege, Spiel- und Grünstraßen, vom Schultor verbannte Elterntaxis und vieles mehr.
Der dritte Schritt ist eine öffentlichkeitswirksame Aktion für die Vorschläge. Auch da sind alle Formen möglich – zum Beispiel eine kleine Ausstellung, eine Projektvorstellung in der Schule, eine Website, Termine mit lokalen Medien, Stadtbehörden, Kommunalpolitik und -polizei. Ihr gemeinsames Ziel ist eine Veränderung in der gebauten und gestalteten Verkehrs-Umwelt und/oder eine Veränderung im Verhalten (z.B. ein Tempolimit, mehr Wege zu Fuß und mit dem Rad als im Auto).
Ziel des Projekts ist, dass Menschen und insbesondere Kinder mehr, lieber und unter besseren Bedingungen zu Fuß gehen. Es strebt Kompetenzgewinne und Schaffung von Handlungspotenzialen für Kinder an:
– Kompetenzgewinn bei den Themen Raumerfahrung, -analyse und -verbesserung, Darstellung und Kommunikation von Situationen und Problemen im Stadtraum.
– Einübung der Kinder in den Umgang mit öffentlichen Angelegenheiten: Defizit-Erkennung, Ursachen, Interessenkonflikte, Wege zur Verbesserung, Institutionen, Kompromisse und mehr. Diese Erfahrungen können auf vielen politischen und gesellschaftlichen Feldern genutzt werden – weit über den Fußverkehr hinaus.
– Mobilitätspädagogik: Wertschätzung des Gehens, eigenständige Bewegung, Gewinn von Selbständigkeit, Selbstvertrauen und Sicherheit, Umgang mit anderen Verkehrsteilnehmer:innen. Abbau von Bewegungs-Defiziten und ihren Folgen (Übergewicht, motorische Schwächen u.a.).
Das Projekt wird begleitend sowie in einer Abschlusssitzung des Projektteams evaluiert.
Wie bewegen sich Kinder?
Bewegung ist für die kindliche Entwicklung essenziell. Neben der körperlichen Fitness und Geschicklichkeit werden ebenso kognitive und soziale Fähigkeiten gefördert. Vor allem bereitet es den Kindern Freude. Dass Kinder sich anders als Erwachsene bewegen, zeigt sich in ihrer Mobilität.
Mehr...Die Stadt durch Kinderaugen
Die Wissenschaft geht davon aus, dass bis 2050 zehn Milliarden Menschen auf der Welt leben werden. 70 % aller Kinder werden zu diesem Zeitpunkt in Städten wohnen. Doch diese sind oftmals noch nicht auf die besonderen Bedürfnisse ihrer jüngsten Bewohner:innen abgestimmt.
Mehr...Downloads
Alle Dokumente und Veröffentlichungen zum Projekt können hier heruntergeladen werden.
Handreichung zum Projekt
In dieser Handreichung bekommen Sie einen Überblick über die Mobilität von Kindern, erhalten Tipps zur Durchführung eines solchen Projekts und bekommen Ideen für Methoden sowie hilfreiche Hinweise und Materialien an die Hand.
Selbstverpflichtung des FUSS e.V. zum Kinderschutz
Der Verein FUSS e.V. bekennt sich mit dieser Erklärung zum Kinderschutz.
Leitlinien zum Kinderschutz für Projektmitarbeitenden
Kinderschutz-Regeln für das Projekt
Der Arbeitsplan zeigt die im Projektantrag beschriebenen Arbeitsphasen und konkretisiert die Arbeitsschritte für die lokalen Projektleitenden.
Mustervorlage Eiverständniserklärung ELTERN
Hiermit können Sie das Einverständnis der Eltern zur Teilnahme ihrer Kinder an dem Projekt einholen.
Mustervorlage Eiverständniserklärung SCHULE / KOMMUNE
Hiermit können Sie das Einverständnis der teilnehmenden Schule bzw. Ihrer Kommune für die Durchführung des Projekts einholen.
Kinderschutz
Bei FUSS e.V. wird KINDERSCHUTZ großgeschreiben. Der Vereinsvorstand hat für das Projekt eine Erklärung zur Selbstverpflichtung des Vereins zum Kinderschutz verabschiedet. Alle Projekt-Mitarbeitenden haben die vereinsinternen Leitlinien zum Kinderschutz unterschrieben. Ansprechperson für Belange des Kinderschutzes im Verein ist Katalin Saary.
Projekt-Orte
In folgenden sechs Städten wurde das Projekt durchgeführt:
Aachen
Das Projekt in Aachen fand in Kooperation mit der der Montessori-Grundschule Mataréstraße statt.
Berlin
Das Projekt in Berlin fand in Kooperation mit dem Otto-Spielplatz im Bezirk Moabit, einem pädagogisch betreuten Spiel- und Lernort für Kinder, statt.
Bremen
Das Projekt in Bremen fand in Kooperation mit der Karl-Lerbs-Schule in der Bremer Neustadt statt.
Dresden
Das Projekt in Dresden fand in Eigenregie von Carsten Irmer statt und konnte leider nicht zuendegeführt werden.
Köln
Das Projekt in Köln fand in Kooperation mit der Grundschule an der Zwirnerstraße im Süden der Kölner Altstadt und dem Hansa-Gymnasiums im Norden Kölns statt.
Leipzig
Das Projekt in Leipzig fand in Kooperation mit dem Hort der Carl-von-Linné-Schule statt.
Interviews mit den Gruppenleiter:innen
FUSS e.V. hat aus zahlreichen Bewerbungen zehn Gruppenleiter:innen ausgewählt, die in sechs deutschen Städten Kindergruppen anleiten. Wir haben sie interviewt und wollten wissen:
- Wie hast Du Dich als Kind bewegt (Weg zur Schule / in der Freizeit)?
- Was hat sich aus Deiner Sicht bei der Bewegung von Kindern bis heute verändert?
- Gehst Du selbst gern / viel zu Fuß?
- Was gefällt Dir bei der Zusammenarbeit mit Kindern am meisten?
- Hast Du selbst Kinder (und wenn ja, in welchem Alter)?
- Was erhoffst Du dir von dem Projekt „Kinder bewegen sich selbst – und ihre Welt“?
Ansprechpartner:innen für das Projekt
Förderung
Das Projekt „Kinder bewegen sich selbst – und ihre Welt“ wurde durch die Phineo gAG im Zeitraum 1.1.2020 – 31.12.2022 im Rahmen der Initiative Mobilitätskultur gefördert.