Technik-Kästen mitten auf dem Gehweg, kreuz und quer gespannte Kabel zu den Autos auf der Fahrbahn: Mit der geplanten Million Ladesäulen droht nach den E-Rollern der nächste Angriff auf die Mobilität der Menschen zu Fuß.
Zunächst: Energie fürs Auto zu beziehen, ist Privatsache. Tanksäulen stehen auch nicht auf der Straße herum, auch das Elektro-"Tanken" gehört in Tankstellen, Tiefgaragen und auf Privatgelände. FUSS e.V. lehnt es ab, dass dafür Gehwege weiter eingeengt werden und beim Überqueren von Fahrbahnen stolperträchtige Kabel im Weg hängen.
Nur wenige Kommunalpolitiker wehren sich dagegen - so mit begrüßenswerter Klarheit Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, der auf der IAA-Automesse in Frankfurt im September 2019 sagte: "Ich grabe nicht ganz Tübingen um, damit Sie Ihre Ladesäulen kriegen." Ein Parteitagsbeschluss der im Land Berlin regierenden SPD fordert:
"Die neuen Ladesäulen sollen künftig vorrangig aufgestellt werden
- Auf P&R-Plätzen und Bahnhöfen
- Auf Parkplätzen
- In Parkhäusern und Tiefgaragen
- An Tankstellen
- Auf Betriebs- und Privatgeländen
Für alle weiteren Standorte ist vor einer Aufstellung aus- nahmslos ein Prüfkonzept zu erstellen, wie der öffentliche Raum hin zu mehr Aufenthalts- und Lebensqualität für alle entwickelt werden soll. Gleichzeitig soll der nur begrenzt verfügbare öffentliche Raum, der sowohl durch eine Umgestaltung zugunsten des Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehrs (Umweltverbund) als auch durch weitere Plätze und Grünflächen die Aufenthalts- und Lebensqualität der Bürger*innen in der Stadt verbessern soll, nicht durch das planlose Aufstellen von Ladeinfrastruktur in seiner jetzigen Struktur verfestigt werden."
Auch Berlin sieht aber nach wie vor Flächenfraß durch Ladesäulen vor. Ihre amtliche Website zeigt sie wie selbstverständlich ein Stück in den Gehweg gerückt, und das symbolhaft vor der Senatsbehörde für Verkehr und Umweltschutz.
Es gibt bisher keine bundesweiten Regeln, die Gehende vor einem Wildwuchs an Ladetechnik schützen. Ladesäulen sind für Fahrzeuge da; Flächenraub vom engen Raum der Fußgänger ist durch nichts gerechtfertigt. Die Fahrbahnen und Parkstreifen nehmen den größten Teil des Straßenraums ein. Wenn also überhaupt Ladesäulen im öffentlichen Raum, dann allenfalls hier.
Dass dies möglich ist, zeigen Paris und Wien. Paris investiert massiv in Ladesäulen, weil ab 2030 Verbrenner verboten sind. Die Säulen stehen hier und in Wien jedoch nicht auf den Gehwegen, sondern auf dem Parkstreifen zwischen den Fahrzeugen.
Nebenhinweis: Eine Selbstverständlichkeit ist jetzt gerichtlich bestätigt worden. Es ist unzulässig, Ladekabel vom Parkplatz zum Haus quer über den Gehweg zu legen.