Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 113/2022

Ausgangslage

Der Verein „Fussverkehr Schweiz“ hat sich in den letzten 20 Jahren für etwa 1.000 Begegnungszonen eingesetzt. Man orientierte sich an Erfolgsprojekten, wie z.B. Pontevedra in Spanien und Burgdorf in Schweiz. Jedoch weicht die Umsetzungsweise je nach Anspruch und Zielen im Planungsgebiet ab, sodass jede Begegnungszone voneinander variiert.

Durch die Realisierung der Begegnungszonen konnten positive Effekte in der Schweiz festgestellt werden. Die Luft ist sauberer, der Lärm wurde reduziert und die Unfallzahlen gingen zurück. Besonders für den Fußverkehr sind die Sicherheitsbedingungen, durch die Verkehrsberuhigung verbessert worden.

Inhalt

Für die Einrichtung von Begegnungszonen wird zuerst die Ausgangssituation untersucht. Geschäfts- und Zentrumsgebiete haben einen hohen Fuß- und Radverkehrsanteil, da sich Geschäfte an beiden Seiten der Straßen befinden. Fußgängerüberwege und Verkehrsberuhigung sind daher positive Maßnahmen für Kunden. Durch die Wegnahme von Parkplätzen befürchten Gewerbetreibende oft aber einen Rückgang des Umsatzes durch weniger Kunden. Trotzdem haben Beispiele von Begegnungszonen gezeigt, dass Zufußgehende eine höhere Einkaufsfrequenz aufweisen und somit auch höhere Gesamtbeträge ausgeben als Autofahrer:innen.

An Schulen ist das Sicherheitsbedürfnis der Kinder, die die Straße überqueren, noch stärker ausgeprägt. Diese besondere Ausgangssituation erfordert mehr als nur einen Fußgängerstreifen. Auch Wohngebiete sind wichtige Interaktionsräume für Kinder und Erwachsene.

Altstädte zeigen heute noch Strukturen aus dem Mittelalter, weshalb die Straßen eng angelegt sind und hohen Platzmangel für den MIV aufweisen. Mithilfe von Begegnungszonen soll die Aufenthaltsqualität verbessert und die Straßen für den MIV gesperrt werden.

Viele Städte nutzen die Maßnahme Tempo 30, um die Geschwindigkeit von 50km/h auf 30km/h zu reduzierten und eine Verkehrsberuhigung zu bewirken. In der Schweiz wird dieses Konzept bereits durch Tempo 20 umgesetzt. Vor allem im Wohnumfeld sollen Wohlbefinden und Nachbarschaftskontakte gestärkt werden. Jedoch kann dies durch Begegnungszonen schneller und effizienter erreicht werden als allein durch Tempolimits.

Bürgerbeteiligung ist ein wichtiges Instrument zur Erhöhung der Akzeptanz bei stadtplanerischen Maßnahmen. Auch bei Begegnungszonen kann durch Mitbestimmung eine höhere Zufriedenheit der Bewohner:innen erreicht werden. In verschiedenen Städten der Schweiz wurde die Bürgerbeteiligung bereits eingeführt. Bewohner:innen eines Quartiers können für oder gegen eine Begegnungszone stimmen.

Jedoch gibt es immer noch Herausforderungen bei der Errichtung von Begegnungszonen. Einerseits kann der Verkehrsfluss der Busse gefährdet werden. Anderseits können Busverkehre in Begegnungszonen für Verwirrung bei Fußgänger:innen sorgen. Vor allem eine gestalterische Trennung von Verkehrs- und Aufenthaltsflächen ist daher vorzusehen.

Allerdings erweisen sich Begegnungszonen auch bei hohen Verkehrsstärken als vorteilhaft. Da Fahrbahn und Fußweg nur gestalterisch getrennt sind und durch die Geschwindigkeitsbeschränkungen, sind Autofahrende langsamer unterwegs als an gewöhnlichen Hauptverkehrsstraßen. Auch die Fußgänger:innen sind wachsamer beim Überqueren der Straßen und passen sich schnell der Situation an, weshalb die Unfallzahlen gering ausfallen.

Um genaue verkehrliche und gesundheitliche Auswirkungen von Begegnungszonen zu bestimmen, müssen Langzeitstudien durchgeführt werden. Durch Befragungen von Anwohner:innen wurde gezeigt, dass zwei Drittel eine Begegnungszone aufgrund der verbesserten Sicherheitsaspekte befürworten.

Vor allem für mobilitätseingeschränkte Personen, wie seh- oder hörbehinderte, können Begegnungszonen hilfreich sein. Oft kann unübersichtliches Verkehrsgeschehen gerade bei diesen Zielgruppen Verwirrung auslösen. Begegnungszonen mit Fahrteinschränkungen und klare Abgrenzung von Fahrbahn für den Busverkehr und Fußgängerzonen sind mögliche Konfliktlösungen. Mithilfe von baulichen und gestalterischen Elementen wir farbige Markierungen und bestimmter Baumanordnung können Zonen deutliche abgegrenzt werden.

Es wird auch diskutiert ob Velorouten eine geeignete Maßnahme für die Begegnungszonen sind. Da die Velovorzugsroute ein bevorrechtigtes Durchfahren verspricht, kann es in Begegnungszonen zu Konflikten kommen, weshalb diese nur in Ausnahmefällen auftreten sollen.

Bewertung

Der Artikel bietet einen guten Überblick über Begegnungszonen und ihre verschiedenen Ausrichtungen. Es wird deutlich, dass Begegnungszonen je nach Ausgangslage unterschiedliche Potenziale und Herausforderungen aufweisen.

Anfangs wird auf ausländische Beispiele für Begegnungszonen eingegangen und anschließend auf spezifische Ausgangssituationen bei der Auslegung von Begegnungszonen. Eine genaue Beschreibung wie Begegnungszonen aufgebaut sind, fehlt jedoch, sodass sich Leser:innen ohne Vorkenntnisse zunächst kein genaues Bild machen können.

Abgesehen davon wird auf verschiedene Aspekte Bezug genommen, die aktuell und relevant sind, wie z.B. die Bürgerbeteiligung. Aufgrund fehlender Daten und Studien fehlen auch in diesem Artikel wichtige Erkenntnisse über die Auswirkungen von Begegnungszonen auf die Menschen. Letztendlich ist die Broschüre vielseitig und informativ, sodass diese nach zukünftiger Forschung weiter ausgebaut wer.den könnte.

Titel:

Begegnungszonen, Tendenzen und Herausforderungen nach 20 Jahren

Verfasser:

Fussverkehr Schweiz/ Bundesamt für Strassen (Hrsg.); Jenny Leuba, Pascal Regli, Matthias Kilchenmann, Marion Ronca. Zürich/ Bern. Juni 2022, 40 Seiten

Bezug:

Download gratis bei fussverkehr.ch → Publikationen → Studien und Berichte

 

Impressum:

Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, November 2022. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autorin dieser Ausgabe: Fizza Butt.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., www.fuss-eV.de

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