Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 115/2023

Ausgangslage

Analoge Messungen der Fußgänger:innenfreundlichkeit (walkability) sind aufwendig. Deshalb werden vermehrt Geoinformationssysteme (GIS) eingesetzt. Existierende Programme waren bisher vor allem für amerikanische Stadttypen geschrieben worden, die den, durch das historische Wachsen, komplizierten und kleingliedrigen europäischen Städten nicht gerecht werden. Die Gruppe der Verfassenden hat ein neues Tool geschrieben, um auch in Städten in Europa digitale walkability Messungen zu ermöglichen.

Inhalt

Das Paper führt durch den Entstehungsprozess des opensource Tools OS-WALK-EU (gesprochen: OS walk you) und dem dazugehörigen OS-WALK-EU index, sowie die Testungen in den Städten Dublin, Düsseldorf und Lissabon und deren Ergebnisse.

Vor dem Problem stehend, dass existierende Programme, wenn auf europäische Städte angewendet, nur unzureichende Ergebnisse lieferten, führte die Gruppe der Verfassenden eine Analyse der bestehenden Programme durch und befasste sich zuerst mit den verschiedenen Parametern walkability zu messen.

So wurde in der Stadtplanung der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts meist auf „Erreichbarkeit durch Mobilität“ gesetzt. Neuere Strategien wie die 15min city (FMS) setzen auf „Erreichbarkeit durch Nähe“, so hat sich auch das Konzept der walkability im Laufe der Jahre verändert.

Das Team entschied sich im Sinne der FMS, für die Parameter „density“ (Bewohner:innendichte), „diversity“ (Nähe zu diversen Dienstleistenden) und „design“ (Infrastrukturelle Gegebenheiten) um walkability zu messen, sowie einen zwei Kilometer Bewegungsradius zur Zufußgehende.

Bei OS-WALK-EU werden unter Einbezug des design, density und diversity für den Radius berechnet. Um den Parameter diversity berechnen zu können, bekommt jede/r Dienstleistende im Radius eine Punkteanzahl, diese erfolgt graduiert, so bekommen Dienstleitungen am Rande des Radius weniger Punkte, als Dienstleistungen im Zentrum. Zusätzlich wird unterschieden, ob es sich um Dienstleistungen des täglichen Bedarfs handelt (Lebensmittel, etc.) oder um weniger häufig benutzt Einrichtungen, z.B. Ärzte. Auch der Parameter design wirkt graduierend. Denn wenn zur Dienstleistung Höhenmeter überwunden werden müssen, bekommt diese eine kleinere Punktzahl. So können die Gewichtungen bei Bedarf angepasst werden an die Bedürfnisse verschiedener Gruppen, wie Kinder oder Senioren. Der errechnete Wert ist der OS-WALK-EU index. Dieser wird für ein Gitter aus 500 x 500m² Feldern berechnet und in Prozent angegeben.

In der Erprobung in Dublin wurde festgestellt, dass die Qualität und die Genauigkeit des Indixes stark von den eingegebenen Daten abhängt, denn nur wenn die Daten über Dienstleistungen,öffentliche Gebäude, etc, stimmen, kann der Index aussagekräftig sein. Denn abgesehen von offiziellen Daten von Seiten der Stadt zu wichtigen Einrichtungen wurden in Dublin Daten von freiwilligen Helfer:innen eingespeist, die Einrichtungen kartierten. Dabei kam es vermehrt zu mehrfachen Aufnahmen der gleichen Einrichtung, wenn diese über mehrere Gebäude verteilt war, was den Index stark verfälschte.

Die Erprobung in Lissabon konzentrierte sich auf den Vergleich verschiedener Kartengrundlagen wie Open Street Maps oder Google Maps. Auch hier wurde festgestellt, dass je nach Grundlage leicht unterschiedliche Indexes die Folge waren.

In der Erprobung in Düsseldorf wurde die Anpassung auf Senior:innen ausprobiert und lieferte verlässliche Ergebnisse.

Hier ein Beispiel für ein mögliches Ergebnis. Die Karte zeigt das Stadtgebiet von Dublin mit Parametern für einen „normalen“ Zufußgehenden.

Zusammenfassend kommen die Verfassenden zum Schluss, dass ihr Tool einen Mehrwert im Vergleich zu vorher existierenden bietet. Denn es nutzt aktuelle Ansätze zur walkability, ist selbst kostenlos und basiert auch ausschließlich auf Programmen, die ebenfalls frei zugänglich sind. So erweitert sich der mögliche Kreis an Nutzer:innen. Allerdings gibt das Team zu bedenken, dass das Anpassen der Graduierung der Parameter an einzelne Gruppen, wie Senior:innen oder Kinder, sowie die Logik der Punktevergabe erlernt werden müssen., wenn die walkability für diese Gruppen berechnet werden soll. Auch würde der Index an Genauigkeit gewinnen, wenn klassische analoge walkability Messungen vorher durchgeführt und als Datengrundlage verwendet werden.

Bewertung

Wer sich mit walkability beschäftigt, bekommt hier ein frei verfügbares Werkzeug in die Hand, samt Bedienungsanleitung und Erfahrungsberichten. Allerdings brauchen GIS Programme, wie QGIS ein bisschen Einarbeitungszeit, genauso wie das Tool selbst und sind nicht immer einfach zu bedienen. Wer sich aber damit auskennt oder sich einarbeitet, hat hier ein nützliche sund umfangreiches Tool um die walkability zu messen.

Titel:

OS-WALK-EU: An open-source tool to assess health-promoting residential walkability of European city structures veröffentlicht in: Journal for Transport and health

Verfasser:

Stefan Fina, Christian Gerten, Brian Pondi, Lorraine D’Arcy, Niamh O’Reilly, David Sousa Vale, Mauro Pereira, Samuele Zilio

Bezug:

Journal of Transport & Health 27 (2022) 101486

Impressum:

Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Mai 2023. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autorin dieser Ausgabe: Riccarda Rascher.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., www.fuss-eV.de

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