Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 116/2023

Ausgangslage

Eine solide Datengrundlage ist von entscheidender Bedeutung für eine sinnvolle Verkehrsplanung und -politik. Dies gilt für alle Verkehrsarten, einschließlich des Fußverkehrs. Obwohl regelmäßig Daten für den motorisierten Individualverkehr und den öffentlichen Verkehr erhoben werden, ist die Datenerhebung für den Fußverkehr noch unzureichend entwickelt. Das Team des Forschungsprojektes „Empfehlungen zur Zählung des Fussverkehrs“ hat sich mit dieser Problematik auseinandergesetzt und verschiedene Technologien und Methoden zur Festlegung eines Zählstellennetzes für den Fußverkehr geprüft.

Inhalt

Im Rahmen der Forschung wurden in neun Schweizer Städten Testerhebungen auf sieben verschiedenen Betrachtungsebenen mit sieben Technologien durchgeführt. Fachleute aus diesen Städten haben dem Forschungsteam ihre wichtigsten Anliegen mitgeteilt. Basierend darauf wurden Piloterhebungen entwickelt und die geeigneten Technologien für ihre Durchführung eingesetzt und getestet.

Die Betrachtungsebene wurde in die drei Kategorien Netz, Fläche und Querung unterteilt. Bei dem „Netz“ achtete man auf großräumige Wegebeziehungen und eine repräsentative Zählstellenauswahl für ein Monitoring. Die „Fläche“ wurde auf lineare Fußverkehrsströme, also Fußgängerzonen und Gehwege und auf Mischflächen für Fuß- und Radverkehr untersucht und bei „Querungen“ wurden Querungsstellen mit und ohne Mittelinsel, komplexe Knoten und Verkehrsbereiche und Schnittstellen mit dem öffentlichen Verkehr.

Im Rahmen der Piloterhebung wurden diverse Technologien eingesetzt und auf ihre Vor- und Nachteile untersucht. Zu ihnen zählen unter anderem manuelle Erhebungen, zum Beispiel durch durch Zählpersonal vor Ort, aber auch Kameras mit integrierter Auswertung. Die Zählgenauigkeit kann hier durch stereooptische Sensoren, die ein 3D-Bild auswerten können, oder Passiv-Infrarot-Sensoren, die die Wärmeveränderung der Umgebung erfassen, erhöht werden. Eine weitere Möglichkeit zur Zählung der Zufußgehenden ist Bluetooth- und Wifi-Tracking. Diese Technologie erkennt z.B Smartphones, anhand ihrer gerätespezifischen Mac-Adresse. Wie bei der Erfassung von Nummernschildern können durch die gesammelten Informationen Beziehungen zwischen verschiedenen Zählstandorten erfasst werden.

Der maßgebende Faktor für die Technologiewahl ist nicht, wo die Zählung durchgeführt wird, sondern wie lange sie dauert. Um beurteilen zu können, welche Zähltechnik für welche Form der Erhebung geeignet ist, wurde zwischen drei Zähldauern unterschieden: Kurze Erhebungsdauer (2 bis 12 Stunden), mittlere Erhebungsdauer (1 bis 14 Tage) und längere Erhebungsdauer (1 bis 2 Jahre, oder Dauerzählstelle).

Kurzerhebungen eignen sich zur Abschätzung des Fußverkehrsaufkommens, z. B. um festzustellen, ob ein Fußgängerüberweg angemessen ist oder um den Einfluss des querenden Fußverkehrs auf die Leistungsfähigkeit des Autoverkehrs zu quantifizieren. Hier werden vor allem manuelle Methoden verwendet, da sie keine Installation benötigen und zusätzliche Informationen, wie Alter oder Geschlecht der Zufußgehenden erfassen können.

Zählungen mit mittlerer Erhebungsdauer werden angewendet, um den Verkehrsablauf eines Ortes zu verstehen. Außerdem kann mit ihnen der Erfolg eines Projektes kontrolliert werden und sie nutzen als erweiterte Grundlage für die Planung. Der Installation von Zählgeräten lohnt sich bei einer mittleren Erhebungsdauer.

Zur Beobachtung der langfristigen Entwicklung des Fußverkehrs, oder zur längerfristigen Wirksamkeitsprüfung von Maßnahmen, eignen sich Dauerzählerstelle. Vor allem sollten Technologien mit automatischer Auswertung der Daten verwendet werden, besonders eignen sich Infrarotkameras und stereooptische Sensoren.

Für die Entwicklung von Typenganglinien wurden umfangreiche Analysen der Daten des Mikrozensus „Mobilität und Verkehr“ sowie von Zählungen durchgeführt. Die Analyse der Tagesabläufe des Fußverkehrs auf Basis des Mikrozensus zeigt, dass die größten Unterschiede im Verlauf des Tages je nach Altersgruppe und Zweck der Wege auftreten. Kinder und Jugendliche haben aufgrund ihres Schulwegs einen anderen Tagesrhythmus als Erwachsene, die eine Mischung aus Arbeitswegen, Freizeitaktivitäten und Einkaufswegen haben, während Senior:innen häufig vor allem am Vor- und Nachmittag antizyklisch unterwegs sind.

Die Unterschiede in den Tagesabläufen zwischen den Urbanisierungsgraden (Stadt, Agglomeration, ländlicher Raum) gemäß des Mikrozensus sind relativ gering. Wetterbedingt beeinflussen nur Regen und Schnee das Fußverkehrsaufkommen, insbesondere bei Freizeitaktivitäten und Einkaufswegen.

Die Analyse von Daten aus 32 Dauerzählstellen zeigten, dass sich die Muster der Fußgängerströme im Laufe des Tages, der Woche und des Jahres in sechs verschiedene Typen einteilen lassen: Freizeit – Naherholung, Einkaufsachse Innenstadt, Pendlerverkehr – Ausbildung und Arbeit, Orts- und Quartierszentren mit ÖV-Bedeutung, Quartiersachse mit lokaler Versorgung und Zugänge zu Ausgehmeilen in größeren (Innen-)Städten.

Es ist leicht zu erkennen, dass die Bewegungsmuster des Fußverkehrs eine viel größere Vielfalt haben, als die des MIV oder des ÖV. Deswegen ist es um so wichtiger für ihn möglichst viele Informationen und Daten zu erfassen, die für den Ausbau des Fußwegenetzes von großer Bedeutung sein können.

Bewertung

Das Forschungsprogramm hat viele verschiedene Methoden geprüft und eine detailliertes, leicht anwendbares Konzept aufgestellt, wann welche Technologien eingesetzt werden können. Leider existieren hier immer noch Lücken, da es bis jetzt noch keine Informationen über ländliche Gegenden gibt und auch eine Unterscheidung von direkten vs. attraktiven Wegen ist bis jetzt nur eingeschränkt aussagekräftig. Trotzdem ist es ein großer Schritt in die richtige Richtung, um mehr und bessere Daten für den Fußverkehr zu sammeln.

Titel:

Bundesamt Für Strassen: Empfehlung zur Zählung des Fussverkehrs. Forschungsprojekt SVI 2017/009 auf Antrag der Schweizerischen Vereinigung für Verkehrsingenieure und Verkehrsexperten (SVI), 231 Seiten, Download

Verfasser:

Christian Pestalozzi, Dominik Bucheli, Daniel Sauter, Hrsg: Schweizerische Eidgenossenschaft – Bundesamt für Straßen, Januar 2022

Bezug:

Das Dokument kann kostenlos von www.mobilityplatform.ch → Research-Data-Shop → Suche „Empfehlungen zur Zählung des Fussverkehrs“ heruntergeladen werden.

 

Impressum:

Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, August 2023. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autorin dieser Ausgabe: Catharina Rein.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., www.fuss-eV.de

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