Rezension aus dem Kritischen Literaturdienst Fußverkehr (Krit.Lit.Fuss), Ausgabe 25/2000
Ausgangslage
Eine über die fachplanerische Ebene hinausgehende Darstellung speziell zum Thema Fußverkehr liegt zur Zeit in Deutschland noch nicht vor. Das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen ILS ist in Fachkreisen bekannt für konzentrierte Seminare und für fachlich qualitative Zusammenfassungen. Am 10. Oktober 1997 veranstaltete das ILS in Zusammenarbeit mit der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung SRL und dem FUSS e.V. in Münster ein überaus gut besuchtes Werkstattgespräch: „Zu Fuß mobil“. Die Herausgabe des Berichtes verzögerte sich und das nun vorliegende Werk steht eher historisch in Verbindung mit dem Werkstattgespräch vor drei Jahren. Der Zusammenhang wird lediglich im Anschreiben angedeutet mit „Was lange währt...wird endlich auch mal fertig!“. Es lässt sich, soviel schon vorab, getrost umformulieren: „Was lange währt, wird letztlich gut!“
Inhalt
Den zwölf zumeist sehr komprimierten Beiträgen kann man mit einer derartigen Kurzdarstellung ganz sicher nicht gerecht werden. Ein paar Stichworte sollen zur eigenen Vertiefung anregen:
Es ist derzeit von folgenden Grunddaten auszugehen: ca. ¼ aller städtischen Wege sind eigenständige Wege zu Fuß und bei etwa ¾ aller Wege sind auch Fußwege-Etappen enthalten. Das Handwerkszeug zu einer relativ korrekten örtlichen Erfassung auch der nichtmotorisierten Wege ist heute praktisch vorhanden; Verkehrszählungen ohne Berücksichtigung der Fußgänger sollte es also nicht mehr geben (vgl. Krit.Lit.Fuss Nr. 24/2000)
Die Geschichte der Straßenraumnutzung von der Fußgänger-Straße über den Randstreifen bis zur derzeitigen Richtliniendiskussion zur Festlegung von planerisch erfassbaren Mindestgehwegbreiten (2,50 m +) könnte signalisieren, dass der Tiefpunkt möglicherweise nun überschritten ist. Dennoch zeigt die Untersuchung „Ansätze zur Konfliktminderung auf Gehwegen“, dass die befragten Kommunen in NRW zu knapp 30 % gar nur 1,00 Meter als freizuhaltende Mindest-Gewegbreite angaben und knapp 50 % die aus den Richtlinien bekannten 1,50 Meter. In ¼ der Kommunen werden selbst dann illegal geparkte Fahrzeuge nicht abgeschleppt, wenn durch sie noch nicht einmal diese angegebenen Mindestmaße vorhanden sind.
Probleme bei der Fahrbahnüberquerung hängen häufig damit zusammen, dass man dort, wo Querungsbedarf besteht, mit immer wieder neuen Maßnahmen genau das Queren verhindern will. Die Umwegempfindlichkeit der Fußgänger scheint nach wie vor noch nicht als eine der wesentlichen Unfallursachen erkannt worden zu sein.
Aus Bielefeld werden die Marketing-Aktivitäten der Stadt unter dem Motto „Aktion mobil“ beispielhaft dargestellt und sie sind in der Tat in Deutschland beispielhaft. Aus Wuppertal gibt es eine sehr anschauliche Darstellung der Arbeit des einzigen sogenannten „Fußgängerbeauftragten“ mit seinen Möglichkeiten, Grenzen und Problemen. Neben diesen örtlichen Beispielen stellt der FUSS e.V. seine Vorstellungen einer bundesweiten Lobbyarbeit für den Fußverkehr dar.
Im Beitrag „...aus Sicht der Gesundheit“ wird darauf hingewiesen, wie gesundheitsförderlich das Zufußgehen ist, wenn es denn mit geeignetem Schuhwerk und „bewegungsphysiologisch korrektem Verhalten“ einher geht. Der Hinweis, dass die „Minderung der Gefährdungen“ in erster Linie durch die Fußgänger selbst geleistet werden muss und stadtplanerische Maßnahmen „erst in zweiter Linie Einfluss auf die Gesundheit der Fußgänger“ haben, ist allerdings angesichts der verkehrsbedingten Krankheiten und der Verkehrsunfälle recht vage.
Die Ergebnisse des „Ersten Deutschen Kinderverkehrsgutachtens“ des VCD werden kurz dargestellt und aus Münster schließt sich eine Darstellung an, wie das Zufußgehen aus polizeilicher Sicht gefördert werden kann. Dies allerdings aus einer einseitigen Perspektive, denn die drei hervorgehobenen Unfallursachen „Falsches Verhalten beim Überschreiten der Fahrbahn, plötzliches Hervortreten hinter Sichthindernissen, Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss“ machen bundesstatistisch etwa fünf Prozent der örtlich erfassten Verkehrsunfälle mit Fußgänger-Personenschäden aus.
Bewertung
Die Broschüre ist kein Nachschlage- und sicher auch nicht das Standardwerk zum Thema. Sie bietet aber für Praktiker eine Fülle von Hinweisen für Fußverkehrsplanungen und das auch zu Aspekten wie z.B. Beleuchtung, Informationen usw., die in anderen Veröffentlichungen häufig zu kurz kamen. Darüber hinaus wurde eine Blickerweiterung angestrebt, über planerische Aspekte hinaus z.B. auf die politisch / lobbyistische Ebene oder auf gesundheitliche Aspekte.
Dabei kam es zu Überschneidungen und auch mitunter zu Wiederholungen, die aber im Kontext nicht weiter stören. Bedauerlich, dass der Umweltverbund fehlt. Es fehlt leider auch der Spaß am Gehen, die Leichtigkeit des Flanierens usw. Aber auch damit gibt diese Veröffentlichung durchaus den derzeitigen Stand der Diskussion wieder.
Titel:
Zu Fuß mobil. Praktisches, Förderliches und Forderndes zum Fußverkehr. Heft 158. Instiutut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen ILS (Hg.), 80 Seiten, Nov. 2000
Verfasser:
Winfried Borgmann, Dirk Bräuer, Werner Brög, Jürgen Brunsing, Andrea Dittrich-Wesbuer, Wilfried Echterhoff, Erhard Erl, Ulrich Frohberger, Bernd Herzog-Schlagk, Heinz Klewe, Petra Rau, Sylvia Reinartz, Andreas Schmitz, Claudia Warnecke, Rainer Widmann; Redaktionelle Bearbeitung: Christina Borbach
Bezug:
ILS, Deutsche Straße 5, 44339 Dortmund, Tel. 0231/9051-0, Fax -155, E-Mail:
Impressum:
Erstveröffentlichung dieses Beitrages im InformationsDienstVerkehr IDV, Dezember 2000. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail:
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