Links wird der Raum bei sechs Verkehrsteilnehmern eng. Rechts ist bei etwa 40 noch Luft (Berlin, Friedrichstraße). Mit diesen macht der Einzelhandel den Löwenanteil seiner Umsätze - egal, ob vor dem Laden Parkplätze sind oder nicht.

Fußgänger kommen noch vorwärts, wenn sie nur einen Quadratmeter haben (die Enge ist dann aber schon anstrengend). [1] Ein Auto, das mit 50 Stundenkilometern fährt, braucht inklusive Sicherheitsabstand und Bremsweg etwa 60 Quadratmeter Straßenfläche. Steht es, braucht es inklusive Rangier- und Seitenraum etwa 15 Quadratmeter – und das nach Ansicht mancher Autofahrer an jedem beliebigen Ort in der Stadt. Weniger als 8 Quadratmeter braucht ein Radfahrer bei mäßigem Tempo. Da unsere Bewertung oft von der Wahrnehmung abhängt, entsteht der Eindruck: Wer den meisten Platz hat (und dazu den meisten Lärm macht) ist auch am wichtigsten. Die Zahl der Autofahrer wird so systematisch über- und die der Fußgänger unterschätzt.

Das passiert auch rechenkundigen nüchternen Kaufleuten. In Wien befragte Händler schätzten, 28 Prozent ihrer Kunden kämen mit dem Auto. Tatsächlich waren es nur 10 Prozent. Und die Händler glaubten, sie hätten weniger Lauf- als Fahr-Kundschaft. Es kamen aber 34 Prozent ihrer Ladenbesucher zu Fuß – mehr als dreimal so viele wie mit dem Auto. [2]

Aber können die fahrenden Kunden nicht viel mehr transportieren und bringen entsprechend mehr Umsatz? Auch das widerlegen Wiener Zahlen. Danach sind die Anteile derer, die entweder große Gegenstände transportieren, unter Fuß- und Autokunden genau gleich, und genau gleich viele Benutzer beider Verkehrsmittel gaben an, sie würden entweder gar keine oder eine große Tasche transportieren. Autofahrer kaufen auch nur wenig teurer ein: 140 Euro lassen Befragte im Schnitt pro Monat in untersuchten Läden am Wiener Stadtrand, Fußgänger 132 Euro. In Läden der Innenstadt geben Auto-Kunden monatlich 170 Euro aus, Laufkunden 151. [3]

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie aus London: Fußgänger aus dem Umfeld suchen Einkaufsstraßen im Durchschnitt 16-mal monatlich auf, Autofahrer nur 8-mal. zu Fuß aufsucht, gibt in Durschnitt monatlich 40 Prozent mehr aus als Besucher per Auto. In fußgängerfreundlich umgestalteten Straßen sank der Leerstand und stiegen die Ladenmieten. Aber wie in Wien schätzen auch Londons Händler die Mobilität ihrer Kunden ganz falsch ein: Bei einer Umfrage glaubten Händler im Schnitt, 63 Prozent ihrer Kunden seien per Auto gekommen - tatsächlich waren es nur 20 Prozent. Umgekehrt unterschätzten die Händler drastisch den Anteil derer, die zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihnen kamen. Studien von San Francisco bis Kopenhagen und Bern hatten ähnliche Resultate. [4]

Flächen-Ökonomie: Höchste Verkehrs-Kapazität, effizient genutzter Stadtraum

Ökonomisch effizient sind Fußgänger auch in der Raumausnutzung. Auf einem vier Meter breiten Fußweg können etwa 20.000 Menschen pro Stunde einen bestimmten Punkt passieren (allerdings wird es dabei ziemlich eng). Eine zweispurige Straße schafft maximal 5.000 Autos. Da diese im Schnitt mit 1,2 Menschen besetzt sind, beträgt ihre Kapazität weniger als ein Drittel des Fußwegs. (Auch deshalb wurden seit den 1970-er Jahren so viele Geschäftsstraßen zu „Fußgängerzonen“: Es konnten so viel mehr Leute zu den Läden kommen – erst recht, weil keiner davor parken musste.)

Wo Verkehrswege neu angelegt und dann unterhalten werden, gibt es auch immense Unterschiede im Investitionsbedarf. Nach einer Schweizer Statistik kostet ein zwei Meter breiter Fußweg mit Beleuchtung pro Quadratmeter umgerechnet 416 Euro(16); das reicht für 5.000 Menschen stündlich in jeder Richtung. Umgerechnet auf die Verkehrsteilnehmer in einer Stunde, betragen die Kosten für jeden etwa 8,3 Cent.

Eine derzeit in Berlin entstehende Stadtautobahn kostet pro laufendem Meter 150.000 Euro. [5] Sie bekommt drei Spuren pro Richtung. Das würde für knapp 15.000 Autos reichen, gäbe es keine Lastwagen. Bei durchschnittlich 1,2 Insassen erfordert die Schaffung der Kapazität 8,33 Euro pro Fahrendem und Beförderten. Das Schaffen der gleichen Verkehrskapazität kostet per Stadtautobahn hundertmal mehr als per Fußweg.

Wegen der Riesen-Investition schafft die Stadtautobahn zwar mehr Arbeitsplätze im Tiefbau als der Fußweg. Der aber schneidet günstiger ab, betrachtet man die Job-Wirkung für eine gleiche Geldsumme. Nach einer Studie aus den USA entstehen 11,3 Arbeitsplätze für ein Jahr, wird eine Million Dollar in Fußwege investiert. Der viel maschinen-lastigere Straßenbau schafft mit gleichem Budget nur 7,3 Arbeitsplätze. [6]

Wichtig für Planung und Politik:

  • Gehwege sind die platzsparendste und kostengünstigste Verkehrs-Infrastruktur – aber ganz umsonst ist Fußverkehr auch nicht zu haben
  • Gehwege haben höhere Kapazität als Stadtautobahnen
  • Einzelhändler überschätzen oft den Anteil ihrer fahrenden Kunden – und unterschätzen den der gehenden.

Quellen

[1] Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Österreich Fußverkehr in Zahlen S.41

[2] Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Österreich Fußverkehr in Zahlen S.99

[3] Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Österreich Fußverkehr in Zahlen S.97

[4] Transport for London (TfL) Walking and cycling: The economic benefits Folien 6 bis 8

[5] Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Österreich Fußverkehr in Zahlen S.92

[6] Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Österreich Fußverkehr in Zahlen S.41