Gleich drei Schilder regeln in Deutschland das Radfahren in unterschiedlicher Weise auf und an Gehwegen. Wir fürchten, nicht einmal der Bundesverkehrsminister kennt die feinen Unterschiede. Erst recht nicht bekannt sind sie bei den meisten Menschen, die zu Fuß und per Rad unterwegs sind. Schon darum wäre es sinnvoll, den Schilderwald nach zwei einfachen Prinzipien zu lichten:

  1. Für Gehen und Radfahren gibt es getrennte Wege.
  2. Wo das ausnahmsweise nicht geht, gibt es nur noch ein Verkehrsschild. Nach ihm haben Fußgänger Vorrang und Radfahrer müssen sich den Schwächeren, Langsameren anpassen.

Zu den drei Schildern von heute:

 

1. Gehweg mit Rad-Gästen: Zusatzzeichen 1022-10

Mit dem Zusatzzeichen 1022-.20 der Straßenverkehrsordnung (StVO) bleibt ein Gehweg ein Gehweg, auf dem Radfahrer quasi als Gäste zugelassen sind. Sie müssen sich entsprechend benehmen und den Fußgängern anpassen. Vor allem dürfen sie nicht mit Klingeln, Pöbeln, Drängeln oder Rasen die dort Gehenden bedrängen. Welchen Mindestabstand das bedeutet, ist nicht geregelt. Wir erwarten das gleiche Maß, das wir beim Radfahren auf der Fahrbahn von Autofahrern verlangen: mindestens 1,50 Meter Seitenabstand. Wo es zu eng ist, ihn einzuhalten, gilt wie auf der Fahrbahn: Schnellere müssen sich anpassen – auf dem Gehweg also Schritttempo fahren oder absteigen.

 

 

 

 

 

2. Gemeinsamer Geh- und Radweg: Zeichen 240

Das Schild 240 der StVO macht Fußgänger und Radfahrern zu gleichberechtigten Verkehrsteilnehmern auf einem Weg. Gleichberechtigt heißt: Jeder muss dem anderen Raum geben. Es heißt aber NICHT: Wer schneller ist, darf andere verscheuchen, bedrängen oder gar gefährden. Ganz klar ist auf solchen Wegen die Verantwortung für die Sicherheit geregelt: Nach vielen Gerichtsurteilen liegt sie bei den Radfahrern. Erwähnt sei das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9.10.2012 (Aktenzeichen 22 U 10/11). Es urteilte in einem Fall, in dem eine Frau vom Grundstück auf einen gemeinsamen Geh- und Radweg trat. Ein Radfahrer verhakte sich in ihrer Tasche, stürzte und verletzte sich schwer. Er verklagte die Frau auf Schadenersatz und Schmerzensgeld, verlor aber, weil er gegen seine Sorgfaltspflichten verletzt hatte.

Wir zitieren aus der Urteilsbegründung: "Bei einem gemeinsamen Fuß- und Radweg gemäß Zeichen 240 zu § 41 StVO treffen den Radfahrer höhere Sorgfaltspflichten als den Fußgänger. Diese können ihn zur Herstellung von Blickkontakt, Verständigung und notfalls Schrittgeschwindigkeit zwingen. Radfahrer habe auf kombinierten Geh- und Radwegen keinen Vorrang, Fußgänger müssen sie aber vorbeifahren lassen. Dabei müssen die Radfahrer jede Gefährdung vermeiden. Fußgänger dürfen den gemeinsamen Fuß- und Radweg auf der ganzen Breite benutzen und dort auch stehenbleiben. Sie brauchen, da dort Radfahrer keinen Vorrang haben, nicht fortwährend nach Radfahrern, die etwa von hinten herankommen könnten, Umschau zu halten… Radfahrer haben demnach die Belange der Fußgänger auf solchen Wegen besonders zu berücksichtigen und insbesondere bei unklaren Verkehrslagen gegebenenfalls Schrittgeschwindigkeit zu fahren, um ein sofortiges Anhalten zu ermöglichen. Auf betagte oder unachtsame Fußgänger muss der Radfahrer besondere Rücksicht nehmen; mit Unaufmerksamkeiten oder Schreckreaktionen muss er rechnen.“

Das Schild 240 für gemeinsame Geh- und Radwege darf nach den technischen Regelwerken nur in Ausnahmefällen angebracht werden: Wege müssen eine bestimmte Breite haben, der Fuß- und Radverkehr darf nicht zu dicht sein; es darf kein stärkeres Gefälle geben.  – Details dazu hier.

Wir fordern Sicherheit für alle - das Schild muss weg:

  • Fußgänger-Sicherheit bedeutet, dass der Gehweg ein reiner Gehweg bleibt.
  • Wo das ausnahmsweise nicht geht, muss klar sein, dass Fußgänger Vorrang haben und Radfahrer sich anpassen müssen.
  • Radfahrer sind auf dem Gehweg gefährdet, weil Autofahrer sie an Kreuzungen und Einfahrten oft übersehen. Sicherheit für sie ist grundsätzliches auf der Fahrbahn zu schaffen, etwa durch Radstreifen oder Tempo 30.

 

3. Paralleler Geh- und Radweg

Wo das Schild 241 der StVo hängt, müssen Radfahrer den für sie ausgewiesenen Streifen benutzen. Sie dürfen nicht auf die Fahrbahn, aber auch nicht auf den Gehweg – auch wenn der nur einen Pinselstrich entfernt ist, auch wenn der Radweg gerade blockiert ist. Sie dürften auf die Fahrbahn, aber nicht auf den Fußweg, wenn der Radweg unzumutbar schmal, schadhaft oder sonstwie unbenutzbar ist.

Solche Wege dürfen nur angelegt werden, wenn beide Streifen zusammen mindestens 3,50 Meter breit sind und Fußgänger weder gehemmt noch gefährdet werden. Ein Problem ist die Trennung: Einerseits sollte es keine Schwellen und Kantsteine geben, die vor allem für Sehbehinderte gefährlich sind. Andererseits sollten Geh- und Fahrverkehr deutlich getrennt sein. Zahlreiche Details zu Breite, Belag, Trennung und mehr finden Sie hier.

 

In der von uns veröffentlichten umfangreichne Broschüre "Radfahrer auf dem Gehweg, Fußgänger auf dem Radweg - Regeln, Konflikte, Verbesserungspotential" erklären wir sowohl Radfahrenden als auch Zufußgehenden anhand typischer Verkehrssituationen die Verkehrs- und Planungsregeln für Mischwege. Wem die 100 Seiten dieser Broschüre zu umfangreich sind, der findet hier die Kurzfassung "Gehwege, Radwege, Mischwege - Regeln für Verkehrsteilnehmer, Planende und Behörden", welche sich auf die für Mischwege geltenden Verkehrsregeln sowie die für Planende und für Behörden geltenden Richtlinien und Vorschriften konzentriert.