Die Geringschätzung der Gehwege durch Städte und Gemeinden drückt sich auch darin aus, dass die Kosten für ihre legale oder illegale Privatisierung meist lächerlich gering sind. Nehmen wir als Beispiel Berlin, wo sich besonders viele Menschen auf den Gehwegen drängen, wo aber auch besonders viele andere sich dort ausbreiten wollen.

 

1. Legal und umsonst: Werbung, Baugerüst und Fahrräder

Berlins großzügige „Sondernutzungsgebührenverordnung“ regelt, wie man ganz umsonst Straßenraum privatisieren und kommerzialisieren darf – zum Beispiel durch „mit dem Gebäude verbundene Werbeanlagen oder Warenautomaten“, bei „Werbeveranstaltungen von Anliegern, die nicht länger als einen Tag dauern“ und per „Gerüstaufstellungen im Zusammenhang mit baulichen Maßnahmen auf Anliegergrundstücken“. Mehr zum noch überall kostenfreien Abstellen von Fahrrädern (nicht nur in Berlin) hier.

 

2. Fast geschenkt: Kneipenstühle und Anwohnerparken

Wer seine Kneipenstühle und -tische anmeldet, zahlt laut Berliner Senat  monatlich zwischen 12,50 und 16,25 Euro pro Monat. Jahrelange Privatisierung ist billiger: Wer ein Stück Gehweg nicht nur für Monate okkupieren will, bekommt es billiger – bei drei Jahren sinkt der Monatssatz pro Quadratmeter auf lächerliche 3,33 Euro. Das gilt auch für Geschäftsstraßen, in denen die privat gemietete Ladenfläche über 300 Euro pro Quadratmeter kostet. Die nicht eben reiche Stadt verschleudert öffentliche Gehwege im Extremfall für ein Hundertstel dessen, was Privatvermieter vom selben Gastronomen einen Mieter weiter im Haus bekommen.

Aber es geht noch viel billiger. Zwei Jahre gültige Lizenzen fürs Anwohnerparken kosten in Berlin 20,40 Euro. Dafür bekommt man keinen garantierten Platz, findet aber meist einen – auf der Fahrbahn, aber bei zum Parken angeknabberten Gehwegen auch auf diesen. Ein parkendes Durchschnittsauto (SUVs nicht gerechnet) braucht etwa 11 Quadratmeter. Jeden einzelnen Quadratmeter gibt’s nach dem Berliner Tarif pro Monat für 7,7 Cent. Sozialwohnungen sind achtzigmal teurer; Ladenflächen kosten bis zu 5.000mal so viel.

TIPP: Wenn Sie die kommerzielle „Sondernutzung“ eines Gehwegs stört, erkundigen Sie sich beim Ordnungsamt Ihrer Stadt nach der Gebühr – oft steht sie im Internet. Machen Sie dann öffentlich bekannt, wie wenig der Händler oder Gastronom für die Blockade ihres Wegs bezahlen muss.

 

3. Verboten, aber billig: Parken

Parken auf einem Gehweg ist verboten - immer und überall. Es gibt nur zwei Ausnahmen: Entweder wird Gehwegparken durch Verkehrszeichen 315 (weißes, auf dem Gehweg parkendes Auto auf blauem Grund) oder durch eine Parkflächenmarkierung erlaubt - sonst ist es verboten und die illegalen Gehwegparker müssen die oben angeführten Geldbußen zahlen.

Während das verbotene Gehwegparken früher mit 20-30 Euro extrem billig war, wurden seit der Bußgeldreform 2021 die Strafen merklich angehoben. Wer erwischt und aufgeschrieben wird, muss mindestens 55 Euro zahlen. Parkt man länger als eine Stunde auf dem Gehweg oder behindert man den Fußverkehr, sind es gleich 70 Euro plus ein Punkt in Flensburg. Wobei eine Behinderung des Fußverkehrs immer dann vorliegt, wenn sich Fußgänger und Rollstuhlfahrer nicht mehr problemlos begegnen können (OVG NRW, 20.12.2012, 5 A 2802/11). Wer mit Vorsatz, also absichtlich auf dem Gehweg parkt, zahlt theoretisch das Doppelte (eine vollständige Aufstellung aller Parkverstöße sowie der dafür zu zahlenden Bußgelder findet sich auf S. 59 der u.a. Broschüre: Parken auf Gehwegen).

Allerdings kommen diese hohen Geldbußen nur zum Tragen, wenn man auch erwischt wird. Dazu aber müssten Politessen (m/w/d) dazu eingesetzt werden, Falschparker aufzuschreiben. Das wird auch gemacht, nur lieber dort, wo man keine Konflikte mit parkenden Anwohnern bekommt. Gern kontrolliert man abgelaufene Parkscheine (20 Euro), ungern Dauerparker auf dem Gehweg von Wohnstraßen.

Viele Städte und Gemeinden erfinden sogar eigene Verkehrsregeln und bestimmen, dass Parken auf dem Gehweg erlaubt sei - zumindest wenn noch Platz für einen Rollstuhl bleibt. Gern wird der "Parkdruck" als Grund für diese Missachtung staatlicher Vorgaben genannt. Das ist aber nur ein anderes Wort dafür, dass Autofahrer zu geizig sind, einen Parkplatz in einem Parkhaus, einer privaten Garage oder auf einem privaten Stellplatz zu bezahlen.

Während ein gemieteter Parkplatz jeden Monat eine feste Summe kostet, verlässt sich der kostenbewusste Autofahrer lieber darauf, dass Ordnungsbehörden Gehwegparker nie oder nur sehr selten bestrafen.

FUSS e.V. hat zum Thema Gehwegparken eine umfangreiche Dokumentation verfasst und an Behörden verteilt, um dieser Unsitte entgegen zu wirken. Die Broschüre "Parken auf Gehwegen - Problematik, Rechtslage, Handlungsbedarf" kann kostenlos hier heruntergeladen werden.