Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 69/2010
Ausgangslage
Das europäische COST-Programm* hat die koordinierte Zusammenarbeit von Forschern über mehrere Länder hinweg zum Ziel. Verkehr und städtische Entwicklung zählen dabei zu einem geförderten Themenfeld. In diesem Rahmen fanden sich Experten aus 20 Ländern im vierjährigen COST-Projekt 358 „Pedestrians‘ Quality Needs“ (PGN) zusammen. Im November 2010 veröffentlichten sie einen Schlussbericht und fünf Themenberichte ihrer Arbeit, der mehrere Ziele zugrunde lagen: ein verbessertes Verständnis der Bedürfnisse und Anforderungen von Zufußgehenden, das Entwickeln von Steuerungsinstrumenten, um diese Anforderungen bei der Gestaltung des öffentlichen Raum und der Verkehrsinfrastrukturen umzusetzen sowie der Wissenstransfer in diesem Themenbereich.
Inhalt
Das Projekt orientiert sich an einem Systemansatz, in dem die Zufußgehenden im Mittelpunkt stehen, aber auch umfangreiche Analysen des sozialen Kontextes, der raumstrukturellen und der infrastrukturellen Bedingungen ihrer Mobilität vorgenommen werden und politische Ansätze zur Berücksichtigung der Bedürfnisse der Zufußgehenden auf mehreren Ebenen entwickelt werden.
Der politische Prozess der Qualtitätsverbesserung zu Gunsten des Gehens wird in neun Schritten konzipiert. Ausgangspunkt ist die Identifikation der Bedürfnisse der Zufußgehenden (1). Es werden hierzu mehrere Bedürfnisansätze präsentiert, unter anderem jenen von Chaloupka und Risser: soziale Motive des Kontakts und des Austauschs, Einfachheit des Gehens, Komfortbedürfnisse, Witterungsschutz, Sicherheitsbedürfnisse, die Möglichkeit spontaner Mobilität, ästhetische Bedürfnisse sowie Interoperabilität mit anderen Verkehrsangeboten.
Im Anschluss folgt die Identifikation der mit den Bedürfnissen verbundenen Anforderungen (2) und deren Strukturierung oder Hierarchisierung (3). Anschließend findet eine Evaluation des aktuellen Systems statt (4) und die Aneignung des vorhandenen Systems durch die Zufußgehenden und deren Zufriedenheit wird ermittelt (5). Danach soll bestimmt werden, wie die Zufriedenheit der Zufußgehenden gesteigert werden kann und wie man die Unterstützung von weiteren Anspruchsgruppen erreichen kann (6).Im Anschluss daran sollen Erfolg versprechende Maßnahmen entwickelt (7), deren potenzielle Wirksamkeit abgeschätzt (8) und auf dieser Basis ein Umsetzungsplan (9) entwickelt werden.
Es wird ein Bewertungsmodell entwickelt, das verschiedene Einfluss- und Wirkungsgrößen in einen Zusammenhang bringt: Inputs = die verschiedenen Formen der Einflussnahme(z.B. politische Beschlüsse, finanzielle und personelle Ressourcen); outputs = die dadurch geschaffenen Produkte oder Angebote in den Bereichen Erreichbarkeit, Infrastrukturen, Information; outcomes = die auf dieser Basis geschaffenen neuen Zustände in Bezug auf die Geh-Praxis, Unfälle, Interaktionen zwischen Menschen sowie Zufriedenheit und Einstellungen; impacts = resultierende Wirkungen in anderen Bereichen, wie z.B. Gesundheitseffekte, wirtschaftliche oder ökologische Effekte. Den damit zusammenhängenden Aufgaben bei der Messung des Fußverkehrs ist ein eigener Teilbericht gewidmet, der auch Vorschläge für Mess-Kriterien in den vier genannten Feldern des Beurteilungsmodells enthält.
Bewertung
In den erarbeiteten Berichten wird umfangreiches Grundlagenmaterial bereitgestellt. Es lohnt sich daher bei einzelnen Themen eher auf die Teilberichte als auf den stark zusammengefassten Synthesebericht zurückzugreifen. Die Teilberichte setzen sich allerdings selbst wieder aus einzelnen, manchmal nur schwach verbundenen Einzelbeiträgen zusammen. Wertvoll sind insbesondere jene Texte zu Themen, für die bislang noch kaum Veröffentlichungen vorlagen (B4: Messen des Fußverkehrs, B2: einzelne Untersuchungen zu Bedürfnissen der Zufußgehenden). Die Ausrichtung der Planung an dem konzipierten vierstufigen Einfluss-Wirkungsmodell kann zu einer systematischen Herangehensweise beitragen. In der Praxis muss sich zeigen, ob der entwickelte neunstufige Prozess zur Qualitätsverbesserung praktikabel ist. Er erfordert bis zur Entwicklung eines konsistenten Maßnahmenplans eine Reihe aufwändiger Zwischenschritte.
Titel:
Pedestrians‘ Quality Needs. Final Report of the COST project 358.74 Seiten.Cheltenham: Walk 21 (mit CD).
Verfasser:
Methorst, R., Monterde i Bort, H., Risser, R., Sauter, D., Tight, M. & Walker, J. (Hrsg.).
Bezug:
download:www.walkeurope.org
* COST: Coopération européenne dans le domaine de la recherche scientifique et technique; ist ein europäischer Rahmen zur Koordination von nationalen Forschungsaktivitäten.
Impressum:
Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, November 2011. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail:
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