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Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 98/2019

Ausgangslage

Technische Regelwerke oder Empfehlungen für den Fußverkehr gibt es bereits in einem nicht unbedeutenden Umfang. Sofern diese nicht zu wenig ambitioniert sind, lässt sich hoffen, dass sie in den Ämtern gelesen und ernst genommen werden. Als eine von vielen quasi von außen auf die Verwaltungen einprasselnden Forderungen gehen sie aber leicht unter.

Der „Handlungsleitfaden“ geht eher davon aus, dass sich irgendwo im Verwaltungsapparat bereits eine Person befindet, welche sich der Förderung des Fußverkehrs verschrieben hat. Diese bekommt einen Leitfaden dafür, wie sich die Belegschaft ebenso dafür „begeistern“ lässt.

Inhalt

Für „den Weg zu mehr Fußverkehr“ (was schon mehr ist als die bloße „Förderung“ wie im Titel) beschreibt der Leitfaden 5 Handlungsfelder:

  1. Sensibilisierung von Politik und Verwaltung
  2. Stellung des Fußverkehrs in der kommunalen Verkehrsplanung
  3. Ressourcen für den Fußverkehr
  4. Interne und externe Vorgaben
  5. Kommunikation und Beteiligung

Zu 1. wird empfohlen, zunächst festzustellen, auf welcher Stufe sich die Fußverkehrsförderung in der jeweiligen Kommune befindet. Und wie hoch „die Zustimmung der Kolleginnen und Kollegen sowie der Vorgesetzten“ ist. Bei positivem Ergebnis sollen die Erfolge auf verschiedene Weise kommuniziert werden. Andernfalls werden Nachhilfemaßnahmen (z.B. Exkursionen, Politikforen, passende Zeitschriften beschaffen) aufgeführt. Die zahlreichen Vorteile des Fußverkehrs sind in kurzen Sätzen zusammengestellt, um sie zu kommunizieren.

Hier, wie auch bei den anderen Unterpunkten der verschiedenen Handlungsfelder, wird der personelle und finanzielle Aufwand prognostiziert.

Im Rahmen von Nr. 2 soll dann die Rolle des Fußverkehrs in diversen kommunalen Plänen (u.a. Klimaschutzplan, Lärmplan) analysiert werden. Dann soll entweder auf die schnelle Finanzierung und Realisierung hingearbeitet, oder mit kleineren Maßnahmen ein Anfang gemacht werden (Diskussion über Mindestmaße anstoßen). Ausführliche Fußverkehrskonzepte, ähnlich dem Bsp. Berlin, seien nicht für jede Kommune notwendig, jedoch Aussagen zum Fußverkehr und die Festlegung von Standards.

In Nr. 3 geht es um personelle und finanzielle Ressourcen. Demnach „sollen“ Fußverkehrsbeauftragte (mehrere Stellenbeschreibungen sind auch enthalten) eine eigenständige Stellung bekommen und nicht im Rahmen eines allgemeinen Mobilitätsmanagements tätig sein. Eigene Finanzmittel, auch für kurzfristige Handlungsfähigkeit, seien sicherzustellen. Für kleinere Kommunen wird die Zusammenlegung mit dem Fahrradverkehr gebilligt.

Nr. 4 behandelt die Aufstellung „verbindlicher Regeln“ verwaltungsintern und auch für Beauftrage Dritte. Hier steht an erster Stelle eine Mindestgehwegbreite. Zahlreiche Publikationen, die Regeln oder Empfehlungen enthalten, sind aufgezählt.

Nr. 5 befasst sich mit interner und externer Kommunikation. Auch ein „Fußverkehrs-Check“ wird dazugezählt, und in einem Exkurs gesondert dargestellt.

Zu allen Punkten werden diverse Ziele definiert, „Leitfragen“ zur Analyse der Ausgangslage gestellt und Hinweise zur Stärkung des Handlungsfeldes gegeben.

Leitfragen sind z.B. bei Nr. 1 die nach der Existenz eines städtebaulichen Grundsatzbeschlusses zur Fußverkehrsförderung, ob die Verwaltungsspitze auf dessen Berücksichtigung Wert legt, ob Fußverkehr nur ausnahmsweise und zufällig Beachtung findet, usw. usf.

Je nachdem wie fortschrittlich sich die Lage in einer Kommune dann darstellt, werden zahlreiche dem angepasste Stärkungsmaßnahmen aufgezählt.

Als Anlage zum „Leitfaden“ gibt es noch ein „Arbeitsbuch“, welches aber nur die aus dem Leitfaden bereits bekannten Ziele und Leitfragen enthält, daneben aber Platz für Notizen und Skizzen bietet.

Dazu kommt noch ein Fragebogen, der sich „an alle in der Verwaltung Arbeitenden“ richten soll. Damit wird nicht nur beabsichtigt ein Lagebild zu schaffen, sondern auch „Bewusstseinsbildung“ erwartet. Auch, indem dort zu individuellen Anmerkungen angeregt wird. Jedoch ist einfaches ankreuzen und Anonymität ebenso als Möglichkeit vorgesehen.

Bewertung

Vorausgesetzt, jemand hat keine Hemmungen auch seine Mitmenschen am Arbeitsplatz evt. zu nerven, bietet der Leitfaden ein ausgefeiltes Instrumentarium an, um die Verwaltung zu beeinflussen.

Er führt eine Menge Ideen zur Neustrukturierung des Tagesablaufs der „Kolleginnen und Kollegen“ auf. „Treppe statt Aufzug“ wird als Aktionsform angeregt. Auf der Treppe erwarten sie dann Aufkleber („Jede Stufe verlängert Ihr Leben um drei Sekunden“) und nach dem gemeinsamen Mittagsspaziergang liegen auf den Tischen der Kantine entsprechende Zeitungen aus. Nach dem Ausfüllen des Fragebogens folgt dann der Fußverkehrs-Workshop.

Der Leitfaden fördert systematisches Handel und macht Mut, für den Fußverkehr tatsächlich etwas erreichen zu können.

Es braucht dann nur noch eine Person, die den Marsch durch die Institutionen geschafft hat.

An dem Leitfaden gibt es kaum etwas auszusetzen. Allenfalls, dass in Nr. 4 die Forderung nach einer Mindestgehwegbreite nur bei „Neugestaltung von Straßenräumen“ aufgeführt wird. Oder dass im Fragebogen zu Fuß Gehende als die „schwächsten“ und Schutzbedürftigsten dargestellt werden. Eine solche Wortwahl wird ja gerne dazu benutzt, Benachteiligungen als Schutzmaßnahmen zu deklarieren. Andererseits wird im Abschnitt Kommunikation und Beteiligung auch das Werben um Verständnis für den „Rückbau von Ampeln“ (als Bsp.) benannt. Das ist mutig, wünschen sich doch gerade Nichtautofahrende oft mehr Ampeln.

Titel:

Handlungsleitfaden zur Förderung des Fußverkehrs in den Kommunen; erschienen im September 2018, 40 Seiten, Grafiken; dazu ein mehrseitiger Fragebogen.

Verfasser:

Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Kreise und Gemeinden in NRW e.V. „Begleitet“ von zahlreichen Personen und Institutionen, u.a. aus dem Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.

Bezug:

Rathaus Stadt Krefeld, Von-der-Leyen-Platz 1, 47798 Krefeld, www.agfs-nrw.de

Impressum:

Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Februar 2019. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autor dieser Ausgabe: Markus Schmidt.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., www.fuss-eV.de

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