Rezension aus der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, Ausgabe 101/2019
Ausgangslage
In Baden-Württemberg (BW) verunglücken jährlich rund 3000 zu Fußgehende. Dies soll durch die Zielsetzung Vision Zero Richtung 0 konvergieren. Fußgängerüberwege (FGÜ) weisen mit einer Unfallhäufigkeit von 1 zu 1,7 Mio. eine höhere Sicherheit als ungesicherte Querungsanlagen auf. Der Einführungserlass für Querungsanlagen soll mit Hilfe dieses Leitfadens von Januar 2019 konkretisiert werden. Die rechtliche Regelung basiert dabei auf Regelwerken der FGSV, der aktuellen VwV-StVO und DIN-Normen. Als Zielgruppe kommen Straßenverkehrsbehörden und Mitglieder der Verkehrsschau, Unfallkommissionen und kommunalen Planung in Frage.
Inhalt
In dem Leitfaden werden die Themen straßenverkehrsrechtlichen Rahmenbedingungen zur Anordnung und sicheren Überquerbarkeit von FGÜ erläutert. Generell sind Zebrastreifen nur innerhalb bebauter Gebiete möglich, sofern nicht mehr als ein Kfz-Fahrstreifen pro Richtung existiert. Beidseitig sind demnach auch straßenbegleitende Gehwege oder selbstständige Gehwegbeziehungen erforderlich. Nicht realisierbar sind FGÜ bei einer LSA-Koordinierung („Grüne Welle“), über Bussonderfahrstreifen, Straßenbahnen oder Gleiskörper sowie an abknickenden Vorfahrtstraßen. Die Anordnung von FGÜ sind Einzelentscheidungen, die jeweils einer genauen Untersuchung bedürfen. Zu den Kriterien gehören unter anderem die Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Leichtigkeit des Verkehrs, die durch die Verkehrsschau, Polizei und Straßenbaubehörde untersucht wird. Der Einsatzbereich von FGÜ orientiert sich an der Anzahl zu Fuß Gehender im Querverkehr zur Spitzenstunde und dem dort vorhandenen Kfz-Verkehr. FGÜ bündeln den Querverkehr, weshalb innerhalb von 50m eine Abwägung bezüglich der sinnvollsten Platzierung stattfinden soll. Abhängig von der Straßenbreite sollen FGÜ zum Beispiel mit vorgezogenen Seitenräumen kombiniert werden. Zusätzliche Mittelinseln haben den Vorteil, dass sich zu Fuß Gehende immer nur auf eine Kfz-Richtung konzentrieren müssen. Aufpflasterungen können für eine Einhaltung der erlaubten Kfz-Geschwindigkeiten sorgen.
FGÜ „müssen barrierefrei angelegt werden“, dabei sollen entweder differenzierte Bordhöhen (6cm für blinde und Sehbehinderte, 0cm für Rollstuhlfahrende) oder ein Kompromiss von 3cm Bord mit taktilen Leitstreifen über die gesamte Breite eingerichtet werden. Das Abstellen von Kfz ist 5m vor der Querungsanlage untersagt und gegebenenfalls durch Poller durchzusetzen, denn zu Fuß Gehende müssen rechtzeitig erkennbar sein. Gefahrenzeichen wie „Achtung Fußgänger“ können die Aufmerksamkeit der Kfz-Führenden erhöhen.
Gemeinsame Geh- und Radwege sind zu vermeiden, der Radverkehr kann jedoch bei geringen Kfz-Verkehrsstärken eine eigene, roteingefärbte Radverkehrsfurt bekommen, an dieser er bevorrechtigt die Straße queren kann. Das Schild „Vorfahrt gewähren“ ist für den Kfz-Verkehr dann zusätzlich anzuordnen.
Grundsätzlich werden FGÜ über Radverkehrsanlagen markiert, auch über straßenbegleitende Radwege, die nur per Bord von der Fahrbahn getrennt sind. Bei FGÜ an Radschnellwegverbindungen ist zu prüfen, dass der Radverkehr nicht mehr als 30 Sekunden Verlustzeit pro km erleidet. Allein der Anhaltevorgang, kann bis zu 15 Sekunden in Anspruch nehmen. Bei über 800 Radfahrenden pro Stunde und mind. 50 zu Fuß Gehenden ist eine Anordnung zu prüfen, sollten schutzbedürftige Personen zum Querverkehr zählen, sind auch geringe Fußverkehrszahlen möglich.
FGÜ sollen „ausreichend weit voneinander entfernt“ angeordnet werden, nach dem Leitfaden ist aber ein fester Mindestabstand nicht notwendig. An Knotenpunkten können in allen Armen FGÜ angeordnet werden. Vor allem an Kreisverkehren spielen diese ein wichtige Rolle, da nur so den Blinden und Sehbehinderten ein sicheres queren der Fahrbahn möglich wird.
Bewertung
Der Leitfaden gibt einen guten Überblick über die straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von FGÜ und konkretisiert den Einführungserlass.
Erweitert werden die technischen Regelwerke um Beispiele für die Anwendung von FGÜ. Die verkehrlichen Voraussetzung wurden auch geändert, sodass bei geringeren Fußverkehrsstärken oder bei höheren Fuß- und Kfz-Strömen unter Einhaltung aller Sicherheitsanforderungen eine Anordnung von FGÜ möglich ist.
Positiv zu erwähnen ist auch das Befassen mit FGÜ über reine Radverkehrsanlagen (RVA) wie Radschnellwege oder Fahrradstraßen, mit Berücksichtigung der Ansprüche des Radverkehrs. Dennoch sind keine endgültigen Zahlen bezüglich der Verkehrsstärken angegeben, die die Einsatzbereiche der FGÜ auf den RVA definieren.
Durch Fotos und bildliche Darstellungen werden die Inhalte des Leitfadens verdeutlicht, sodass nur in seltenen Fällen die Formulierungen unklar sind.
Titel:
Fußgängerüberwege – Leitfaden zur Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen in Baden Württemberg, Stuttgart 2019, 48 Seiten mit vielen Abbildungen
Verfasser:
Hrsg.: Ministerium für Verkehr Baden Württemberg. Redaktion: Planungsgemeinschaft Verkehr – PGV Alrutz, Hannover
Bezug:
vm.baden-wuerttemberg.de –> Mobilität & Verkehr -> Fußgängerüberwege
Impressum:
Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, November 2019. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.
Autor dieser Ausgabe: Leon Baur.
Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail:
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