Foto: Cody Lannom, Unsplash

Parkende Kfz auf Geh- und Radwegen

Häufig treffen bei uns Klagen ein, dass das Falschparken auf Geh- und Radwegen zunehmen würde. Gründe seien u.a. die mangelnde Überwachung wegen Personalabbaus bzw. sogar Anweisungen „von oben“ das Falschparken zu tolerieren. FUSS e.V. hat darauf mit einer Pressemitteilung (siehe Kasten am Schluss des Beitrags) und mit einer Bitte an (überwiegend grüne) Fraktionen in Großstädten und Landtagen reagiert, den zuständigen Behörden Kleine Anfragen bzgl. des Falschparkens zu stellen. Im folgenden dokumentieren und kommentieren wir die Reaktionen der Verwaltungen.

Im September schickten wir Muster für drei Fragen an die Fraktionen. Angeschrieben hatten wir Fraktionen in 40 Gemeinderäten, verteilt auf alle Bundesländer außer den Stadtstaaten und an Adressaten in allen 16 Länderparlamenten.

Kaum Ahndung des Falschparkens wegen Personalmangels?

Unser erster Vorschlag für eine Frage lautete: Hat die Verwaltung Kenntnis darüber, ob das illegale Parken auf Geh- und Radwegen aufgrund der durch die Personalreduzierung in den letzten Jahren geringeren Überwachungs-Kapazität oder aus anderen Gründen auf den jeweiligen Verkehrsflächen zugenommen hat?

Selbstverständlich wollte hier keine Kommune zugeben, dass sie für diesen Bereich nicht genügend Personal einsetzen würde (zumal dieses sich ja durch die mehr eingenommenen Verwarnungsgelder „selbst finanzieren“ würde). Also wurden folgende Antwortvarianten gewählt:

  • Es gibt genug Personal und (daher) gibt es nicht mehr Parkverstöße (d.h. mehr kommen nicht zur Anzeige)
  • Es gibt genug Personal, die Verstöße treten jedoch vorwiegend nachts auf (zu dieser Zeit kann das Personal nicht eingesetzt werden)
  • Es gibt genug Personal, jedoch tritt das Problem zwar vorwiegend im inneren Bereich auf, aber auch verteilt auf das Gemeindegebiet. Und überall könne man nicht sein.

Unausgesprochenes Fazit: Man macht alles richtig, die Zustände sind jedoch leider falsch.

Wie hat sich die Ahndung des Falschparkens entwickelt?

Unser Fragevorschlag lautete: Wie viele Bußgeldbescheide wegen der Ordnungswidrigkeit „Unzulässig geparkt auf Geh- bzw. auf Radflächen“ haben die Polizei und die Ordnungskräfte jährlich in den letzten fünf Jahren ausgestellt und in wie vielen Fällen hat die Polizei Fahrzeuge von den jeweiligen Verkehrsflächen z.B. aus dringenden Verkehrssicherheitsgründen in diesem Zeitraum entfernen lassen?

Diese Frage konnte von vielen Gemeinden nicht zufriedenstellend beantwortet werden, da keine oder unzureichende Statistiken geführt werden. Fazit: Ein Problem, dessen Umfang ich nicht kenne, ist eine unbekannte Größe und daher eher vernachlässigbar.

Entscheidend für die unbewusste Beurteilung ist natürlich auch die Begriffswahl. So hat z.B. der Begriff „Schwarzfahrer“ sofort einen Hauch von kriminell und unterstellt Vorsatz. Klar, er betrügt das Unternehmen um das Fahrgeld und nimmt evtl. auch einen Sitzplatz anderen Fahrgästen weg, die es nötiger hätten als er. Da sind 40 Euro „erhöhtes Beförderungsentgelt“ evtl. gerechtfertigt. „Falschparker“ dagegen hat was Menschliches, das kann jedem passieren, nobody is perfect. Für diese lässliche Unaufmerksamkeit, die die Mobilität anderer Menschen ver- wenn nicht behindert und Unfälle verursachen kann, sind lediglich 25-30 Euro fällig.

Anweisungen Falschparken auf Geh- und Radwegen zu tolerieren?

„Gibt es in der Gemeinde seitens der zuständigen Behörden Anweisungen oder seitens der Polizei Hinweise an die Diensthabenden, bei ordnungswidrig auf Geh- oder Radwegen abgestellten Fahrzeugen nur eingeschränkt einzuschreiten?“, lautete unser Vorschlag für die „frechste“ Frage an die Stadtverwaltungen. Hintergrund waren Berichte betroffener Fußgänger und Radfahrer, dass angesprochene Ordnungskräfte vor Ort das zugegeben bzw. angedeutet hätten. Selbstverständlich wurde unsere Frage niemals mit „ja“ beantwortet, jedoch ergaben sich Hinweise auf die Praxis.

In Halle/ Saale wird durch die Verwaltung formal logisch geantwortet, dass die Behörden sich „grundsätzlich auf Unfallschwerpunkte“ konzentrieren. Inwieweit eine Überwachung des ruhenden Verkehrs notwendig erscheint, werde „auf Basis der vor Ort gewonnenen Erkenntnisse beurteilt.“ Da bei der Unfallerfassung die Ursache ruhender Verkehr eher wenig von den aufnehmenden Polizisten berücksichtigt wird, (so wird dieser Fehler eher den Fußgängern angelastet, da diese „plötzlich hinter einem Hindernis auf die Fahrbahn“ traten), ist die Notwendigkeit der Überwachung des ruhenden Verkehrs eher gering. Und so gibt es dann „sinkende Fallzahlen“ zu verzeichnen, die eine Ahndung des Falschparkens noch weniger zwingend erscheinen lassen.

Einen geradezu zynischen Hintergrund erhält die Antwort der Stadt Potsdam aufgrund eines durch einen Falschparker verursachten tödlichen Unfalls einer Radlerin. Die Verwaltung hatte am 7.10. geantwortet, dass es selbstverständlich keine Anweisungen zum Wegsehen gäbe, sondern „ganz im Gegenteil sind die Inspektoren sogar besonders sensibilisiert“. Drei Wochen später, nach dem Unfall, gab die Polizei laut Pressemeldungen bekannt, dass nun alle Streifenbeamten angehalten werden würden, das Parken auf Radwegen verstärkt zu ahnden. – Vorher hat man also schon alles Nötige getan, hinterher auch und zwar noch mehr.

Anders in Karlsruhe, hier zitierte die grüne Fraktion in ihrer Fragebegründung eine Antwort der Verwaltung aus dem Februar, „dass der gemeindliche Vollzugsdienst lediglich ‚gravierende Verstöße‘ beanstandet“ und folgerte daraus: „In vielen Fällen wird illegales Parken von der Stadtverwaltung also offenbar toleriert.“ Die Verwaltung bestätigte diese „Toleranz“ in der aktuellen Antwort: „In der Praxis wird in den meisten Straßen in Karlsruhe mit zwei Rädern auf dem Gehweg geparkt. Dies kann nur unter bestimmten Voraussetzungen geduldet werden, da es nicht der Straßenverkehrsordnung entspricht.“ Diese euphemistische Definition illegalen Verhaltens wird präzisiert, insofern es „nur dort geduldet werden kann, wo dies zur Aufrechterhaltung des fließenden Verkehrs erforderlich ist... Parken ‚ohne Not‘ auf dem Gehweg ist somit nicht erlaubt.“ Die Not der Pkw-Fahrer wird auf die Fußgänger verlagert, denen in Karlsruhe „eine Mindestrestbreite von 1,20m“ verbleibt.

Schließlich verweist die Verwaltung auf einen rechtlichen Umstand, der konkrete Ansagen der oberen Behörden hinsichtlich der Überwachung des Falschparkens an die Vollzugsdienste generell unnötig macht: „Die Ahndung erfolgt immer unter den Gesichtspunkten des Opportunitätsprinzips.“

Hintergrund: Opportunitätsprinzip?

Das Opportunitätsprinzip ist die juristische Handlungsfreiheit innerhalb eines rechtlichen Rahmens („pflichtgemäßes Ermessen“). Es gilt, solange nicht eine gesetzliche Regelung etwas anderes besagt. Das Opportunitätsprinzip beschreibt das Handeln einer Ordnungsbehörde im Falle einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und/oder Ordnung. Die Ordnungsbehörde kann, muss aber nicht eingreifen. Hier gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auch beim Verwarnungsverfahren gegen Falschparker nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz herrscht das Opportunitätsprinzip (siehe § 47 OWiG). Dort wird beschrieben, dass Verfolgungsbehörde wie auch Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Ahndung jeweils einstellen dürfen.

Fazit

Während das Falschparken als Problem in den Kommunen zumindest erkannt wird, lassen die Länder ihre Gemeinden damit allein: Alle antwortenden Landesbehörden fühlten sich nicht zuständig und verwiesen auf die Kommunen.

Die Ausmaße des Problems sind nicht in Ansätzen erkennbar. Da erstens nur ein kleiner Teil der Delikte erfasst wird, ist die Dunkelziffer mit Sicherheit größer als die erfasste Zahl der Fälle. Verwarnungsgeldverfahren ziehen zweitens kein Bußgeldverfahren nach sich, die Unterlagen werden höchstens sechs Monate aufgehoben. Erfassen die Kommunen diese Fälle nicht statistisch, sind sie aus dem Bewusstsein der Verantwortlichen verschwunden.

 

In Kürze

Wir hatten 40 Fraktionen auf Landes- und Kommunalebene gebeten, den zuständigen Verwaltungen Kleine Anfragen zum Thema Parken auf Geh- und Radwegen zu stellen. Wie nicht anders zu erwarten, wichen die Antwortenden aus oder bestritten eine Zunahme des Problems. Jedoch gab es Hinweise, wie das Problem vor Ort nicht erkannt werden muss und wie das Wegschauen der Ordnungskräfte funktioniert.

Pressemitteilung: Immer mehr Aktionen gegen Falschparker auf Geh- und Radwegen

Nach Einschätzung des Fachverbandes Fußverkehr Deutschland, FUSS e.V., hat sich das Problem der Falschparker auf Geh- und Radwegen in den letzten Jahren verschärft. Belegt wird diese Einschätzung mit den stark ansteigenden Verkaufszahlen der „Parke nicht auf unseren Wegen“-Aufklebern.

 

Dieser Artikel von Stefan Lieb ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 1/2011, erschienen.

Einzelhefte von mobilogisch! können Sie in unserem Online-Shop in der Rubrik Zeitschrift bestellen.