Radschnellwege im Grünen nützen vor allem denen, die am meisten längere Strecken fahren: gut verdienende ältere Männer auf Spaßtour. Gendergerecht wären dagegen Alltags-Radwege auf Straßen, die viele Ziele direkt erschließen.
Die Großstudie „Mobilität in Deutschland“ erlaubt es, zahlreiche Merkmale von Wegen und Personen zu kombinieren. Wir haben gezielt danach gesucht, wer mit dem Fahrrad Wege zwischen zehn und zwanzig Kilometern zurücklegt, also eine typische Schnellweg-Distanz. Hier die wichtigsten Ergebnisse:
- Derartige Distanzen werden von fast doppelt so vielen Männern wie Frauen zurückgelegt: 66 gegen 34 Prozent.
- Diese Männer sind überwiegend im mittleren und gehobenen Alter: 61 Prozent sind zwischen 40 und 74 Jahre alt.
- Der häufigste Bildungsgrad ist ein Hochschulabschluss: 30 Prozent haben studiert.
- Entsprechend ist der ökonomische Status, das ist das Einkommen mit einer Gewichtung nach Haushaltsgröße: bei nur 17 Prozent der Langstrecken-Radler-Nutzer ist der Status niedrig oder sehr niedrig, bei 41 Prozent mittel und bei 43 Prozent hoch bis sehr hoch.
- Langstrecken-Radler sind eher nicht Berufspendler. Nur 22 Prozent ihrer Wege führen zur Arbeit und zurück. Dagegen sind 58 Prozent Freizeitwege.
- 9 Prozent aller mit dem Rad zurückgelegten Wege sind zehn Kilometer oder länger, 91 Prozent sind kürzer.
Kurz gesagt: Von Radschnellwegen zum Zurücklegen langer Strecken profitieren nicht alle Radler gleichermaßen, sondern wohlhabende, ältere, aus purem Spaß radelnde Männer ganz besonders.
Das ist die heutige Langstrecken-Praxis, aber die soll sich durch schöne, sichere Schnellwege ja angeblich ändern. In der Theorie klingt das gut: Auch Putzkräfte oder Maurerpoliere können sich dann S-Bahn-Ticket oder Auto sparen und ihre Arbeitsplätze rasch und angenehm per Rad erreichen. Die Ingenieurin radelt auf dem Schnellweg ins Büro, der alleinerziehende arbeitslose Vater erst zur Kita und dann zum Jobcenter.
In der Praxis sehen wir ein Potenzial dafür bei solchen Schnellwegen, die viele städtische Ziele direkt erschließen. Aber nicht bei Routen, die Stadtstraßen bewusst vermeiden wollen - namentlich der geplante Teltowkanal-Weg in Berlin. Er soll nur 29 Prozent auf Straßen verlaufen, aber zu 71 Prozent in bisherigen Parks - und dort auf Kosten von Natur und begehbaren Wegen. Er führt gerade nicht zu Alltagszielen, sondern weit an ihnen vorbei. Denn es soll ja möglichst ununterbrochen durchs bisherige Grün gehen, nicht durch die Stadt mit ihren vielen Kreuzungen und mit anderem Verkehr. Wer zum Ingenieurbüro will oder zum Jobcenter muss, kann solche Wegen nicht nutzen. Solche Wege werden vor allem Freizeitwege bleiben.
Und dafür Grün zerstören und Erholungssuchende verdrängen? Letztere sind zum Gutteil Familien mit Kindern, viele ältere Menschen und Ärmere, die weit mehr zu Fuß gehen als Reichere und sich oft kein Auto für die Landpartie leisten können. Familien, Ältere und Arme raus – gut verdienende mittelalte Männer rein: Das rechtfertigt es, von einer Gentrifizierung im Grünen zu sprechen.
Eigentlich hat das Fahrrad das Potenzial zu einem sehr sozialen und gendergerechten Verkehrsmittel. Dafür müssen aber seine Wege dahin führen, wo alle im Alltag hinwollen und müssen: zu Stadt- und Stadtteilzentren, zu Arbeitsorten und Schulen. Und natürlich müssen sie auf der heutigen Fahrbahn sein. Das bedeutet Verdrängung in umgekehrte Richtung, wir nennen sie hier Radifizierung: Schulkind und Putzmann bekommen Raum von SUV-lern. Wenn es gut läuft, steigen diese um und nutzen auch den schönen urbanen Radweg für ihre Alltagswege. Solche Radifizierung der Stadt ist uns höchst willkommen. Rad-Gentrifizierung im Park lehnen wir ab.
Gegen den Radschnellweg im Grünen, für den Erhalt von Grün und Erholungsräumen arbeitet das Parkbündnis Schöneberg Steglitz - hier sein Radkonzept zum Downolad. Im Gegensatz zu den Schnellwegplanern will es nicht andere verdrängen, sondern selbstverständlich auch grünverträglichen Radverkehr fördern und integrieren.