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Betreiber von Einkaufszentren wollen, dass Menschen ausgiebig zwischen ihren Läden heumgehen. Wie kommerzielle Lauf-Förderung funktioniert, verrät Valentin Hadelich, Architekt und „Head of Department Urban Planning“ bei Europas Markführer ECE mit 196 Einkaufzentren.

? Ihre Center sind zum Kaufen da, nicht zum Laufen. Heißt das: Wer nur schnell zum Laden geht, ist erwünscht, wer einfach nur durchbummelt, nicht?

! Gerade wer bummelt, ist erwünscht. Wer bei uns läuft, kauft auch. Und für andere Menschen wirkt das Center belebter und der Aufenthalt interessanter. Das ist wie auf dem Bürgersteig und dem Stadtplatz draußen.

? Wieviele Laufstrecken bieten Sie?

! Bei mehreren Etagen und Seitenarmen können es in einem Center schon mal mehrer Kilometer sein.

? Und das laufen die Kunden alles ab?

! Keiner läuft systematisch alle Wege ab. Aber wenn Menschen stundenlang bei uns sind, dann können schon ganz schöne Entfernungen zusammenkommen. Wir messen das aber nicht. Nur unsere Centermanager und Techniker tracken teilweise ihre Strecken. Sie kommen schon mal auf zwölf Kilometer Fußweg am Tag, da gibt es einen sportlichen Wettbewerb.

? Von außen wirken viele Center mit ihren Rampen und Parkdecks so, als solle man möglichst mit dem Auto kommen.

! Man kann, muss aber nicht. In unserem Flagship-Center, dem Alstertal-Einkaufszentrum in Hamburg-Poppenbüttel, kommt fast die Hälfte der Kunden zu Fuß und mit der S-Bahn, obwohl es im Vorort liegt und nicht in der City. Es ist übrigens günstig, wenn ein Teil der Kunden zu Fuß im Erdgeschoss ins Haus kommt und ein anderer von Parkdecks auf dem Dach. Dann werden die verschiedenen Etagen gleichmäßiger besucht.

? Gibt es Läden, vor denen alle Kunden mal laufen sollen?

! Wir wollen unsere Kunden nicht zwingen, sondern höchstens dezent leiten. Durch gute Sicht und Orientierung und durch Ladenfronten, die man von mehreren Etagen aus sehen kann. Es geht um die Kunst, einen angenehmen Weg zu schaffen.

? Was tun Sie, damit die Leute viel bei Ihnen herumlaufen?

! Das älteste Mittel sind große Läden und Einrichtungen an den Enden eines langgestreckten Centers, die am meisten Kunden haben und als Magneten dienen. Wer dorthin geht oder von da kommt, passiert dann andere interessante Geschäfte.

? Ist das so ähnlich wie im Billigflughafen, wo die Leute auf Schlangenlinien und langen Umwegen durch die Duty-Free-Shops geschickt werden?

! Das würden die Leute merken und nicht mögen, außerdem bräuchte es dann mehr Verkehrsflächen, also gäbe es weniger für die Läden. Nein, die Wege zu den Magneten sollen direkt sein.

? Dafür möglichst lang, damit unterwegs viele andere Läden verlocken können?

! Das ist durch die Fläche begrenzt, die das Center einnehmen kann. Für Kunden darf es auch nicht zu lang sein, und vor allem nicht zu monoton. Von langen Fronten mit nichts als Schaufensterpuppen hat keiner etwas. Und ungefähr alle 40 bis 50 Meter sollte es eine größere Abwechslung geben, zum Beispiel Quergänge, in den oberen Etagen Brücken zur anderen Seite der Höfe oder mindestens alle 70 Meter Rolltreppen für den Etagenwechsel. Mehr als 120 Meter zu einem Laden laufen die Leute nur ungern. Das sind ja auch die Maße, bei denen städtische Blöcke noch angenehm wirken.

? Es klingt nicht sehr lauffreudig.

! Manche gehen aber viele solcher kurzen Etappen. Nicht nur von Laden zu Laden, sondern auch mit Pausen in Cafés, auf Sitzbänken oder einfach zum Gucken von einer Brücke. In Aufenthaltsqualität und Service investieren wir jetzt und in den nächsten Jahren über das "At Your Service"-Programm viele Millionen Euro – in Bänke, Grün, Toiletten, elektronische Wegweiser und mehr, einfach in mehr Aufenthaltsqualität und einen besseren Kundenkontakt. Das bringt unmittelbar keinen Euro zurück, aber Wohlfühlen ist ganz entscheidend auch für den kommerziellen Erfolg eines Centers. Die Leute sollen sich nicht gejagt fühlen, sondern freundlich eingeladen.

? Was tun Sie, damit sich die Leute beim Laufen wohlfühlen?

! Alle Wege bei uns sind natürlich barrierefrei, das ist ein eindeutiger Mehrwert gegenüber vielen Innenstadtstraßen. Und sie sind ausreichend breit. 2,75 Meter sind das absolute Minimum. Es kann und muss auf stark frequentierten Wegen deutlich mehr sein, aber nie so viel, dass ein Weg leer wirkt.

? Gibt es den idealen Bodenbelag?

! Bis vor 15 Jahren war er bei uns einheitlich: hell, natürlich eben, aber nicht zu glatt. Jetzt gibt es Unterschiede. Bei unserer neuen Galerie in Verona haben wir zum Beispiel in Teilen einen Bruchstein-Boden eingesetzt, der ein bisschen an die Altstadt erinnert. Und vor rustikalen Restaurants auch schon mal Holzoptik.

? Und die Gestaltung und Beleuchtung?

! Unsere ist hell, aber eher zurückhaltend. Die Läden sollen strahlen, nicht das Center, in dem sie gemietet sind. Aber auch für die Läden gibt es Regeln. Sie sollen weder grell und aufdringlich noch schäbig und lieblos wirken.

? Man geht nur im Innenraum – also klimatisiert?

! Die Lüftung soll möglichst wenig Technik enthalten. Das Dach ist immer zu öffnen. Wir haben übrigens mal kostenlose Garderoben angeboten, aber das wollten die Leute nicht. Sie fühlen sich offenbar wie in einer offenen Straße, aber in einer, in der es nie regnet und im Winter wärmer ist als draußen.

? Und künstliche Atmosphären als Kauf-Verführer?

! Wir experimentieren über einen Multisense-Ansatz mit Licht, Musik und Gerüchen. Allerdings nur dezent, aufdringliche Sinnesreizung wäre jedenfalls nicht gut.

? Trotzdem läuft man durch eine rein kommerzielle Welt. Das will man irgendwann nicht mehr.

! Es ist nicht alles kommerziell. Sie können stundenlang auf Bänken sitzen und herumbummeln, ohne einen Cent auszugeben. Es gibt Spielplätze und nicht nur Läden, sondern auch Kinos, Gastronomie sowieso, Minigolfplätze und in Bremen ein Jump House.

? Ein was?

! Eine über 5.000 Quadratmeter große Trampolinhalle. Da hüpfen die Leute wie wild.

? Haben Sie mal überlegt, ob Sie Ihren Kunden die sogenannte letzte Meile zum Laden mit Fahrrädern oder E-Rollern erleichtern sollten?

! Nein, nie. Es soll entspannt und sicher zugehen. Keiner soll Angst haben, er wird umgerast, und vor den Läden soll nichts im Weg herumstehen oder liegen. Die Leute gehen die letzte kleine Meile gern, und das soll so bleiben.

 

Dieses Interview von Roland Stimpel ist in mobilogisch!, der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 3/2020, erschienen.