Ausgangslage

Für die Entwicklung der Netze und Infrastrukturen für Zufußgehende bestehen in der Schweiz deutlich günstigere Rahmenbedingungen als in Deutschland. Denn mit dem Bundesgesetz über Fuß- und Wanderwege FWG wurde die Zuständigkeit für die Planung von Fußwegenetzen in den Siedlungen – also nicht nur der Wanderwege in der Landschaft – landesweit klar definiert. Die Schweizer Kantone haben dafür zu sorgen, dass bestehende Fußwege in Plänen festgehalten werden, diese Pläne periodisch überprüft und notfalls angepasst werden. Die Rechtswirkung dieser Pläne muss auf kantonaler Ebene festgelegt werden; Betroffene und interessierte Organisationen müssen an der Planung der Fußwegenetze beteiligt werden. Die Kantone weisen die Aufgabe der Umsetzung dieses Gesetzes in der Regel an die Gemeinden weiter.

Das Bundesgesetz über Fuß- und Wanderwege bietet zudem die Begründung dafür, dass sich ein Bundesamt (eine Organisation des Verkehrsministeriums) der Fußwegeplanung annimmt. Es erarbeitet beispielsweise Grundlagen und Arbeitshilfen für die planenden Stellen auf Ebene der Kantone und der Gemeinden. Damit wird das Ziel verfolgt, einen einheitlichen, rechtskonformen Vollzug des Gesetzes zu erreichen.

Diese Arbeitshilfen, wie das hier besprochene Handbuch Fußwegnetzplanung, haben nicht den Stellenwert von Verordnungen, sondern dienen als Empfehlungen. Das Bundesamt für Strassen sowie der Fachverband Fussverkehr Schweiz wollen als Herausgeber mit diesem Handbuch eine fachliche Lücke schließen, die für den motorisierten Straßenverkehr schon lange nicht mehr besteht. Das Handbuch wurde von einem Planungsbüro in enger Abstimmung mit einer Expertengruppe erarbeitet. Es durchlief im Herbst 2014 ein breit abgestütztes Anhörungsverfahren bei Ämtern und Fachstellen, Organisationen und interessierten Einzelpersonen.

Inhalt

Die Netzplanung wird als „Lehre der Verbindungen“ bezeichnet. Sie soll auf folgende Elemente des Netzes bezogen werden: Strecken, Flächen (Plätze, Begegnungszonen, Parkanlagen etc.), Querungen sowie Verknüpfungen mit Anlagen anderer Verkehrsmittel (Bahnhöfe und Haltestellen, Radabstellanlagen, Parkhäuser/Parkplätze und Schiffanlegestellen). Der Fußwegnetzplan soll das vollständige, bestehende Fußwegenetz in einer Gemeinde sowie die aktuellen Netzlücken enthalten. Beides wird in einem Analyseplan mit Erläuterungen sowie einem Netzplan mit Bezeichnung von Netzlücken dargestellt. Zu den Netzlücken werden außerdem Koordinationsblätter erstellt, in denen die Situation geschildert, federführende Stellen bezeichnet und Maßnahmen priorisiert werden.

Zum Fußwegenetzplan wird auch ein Mitwirkungsbericht zum obligatorischen Beteiligungsverfahren gezählt. Der Analyseplan zeigt neben der Charakterisierung der Art des Weges auch Trennwirkungen auf: zum Beispiel lange Wartezeiten an Lichtsignalanlagen (länger als 40 Sek.) oder die Gestaltung eines Straßenraumes ausschließlich für die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs. Als Netzlücken gelten nicht nur fehlende Längsverbindungen (z.B. fehlende Trottoirs) und fehlende Querungen, sondern auch fehlende Aufenthalts- und Begegnungsräume. Mit dem Schließen von Netzlücken sollen mehrere Ziele erreicht werden: das Attraktivieren von Wegen und Aufenthaltsflächen, das Verkürzen der Gehzeit, das Erhöhen der Sicherheit und eine verbesserte Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen.

Der Fußwegnetzplan ist ein behördenverbindliches Dokument, das verwaltungsintern bei der Flächennutzungs- und Erschließungsplanung zu berücksichtigen ist. Die Festlegungen des Plans gehören zur öffentlich-rechtlichen Sicherung der Wege. Die Wege können darüber hinaus mit privatrechtlichen Instrumenten gesichert werden, was bei kurzen Wegeabschnitten oder seit Jahrzehnten bestehenden Wegen notwendig sein kann. Alle zehn Jahre ist eine Überprüfung und Anpassung des Fußwegenetzplans vorzunehmen. Die Darstellung eines Radwegeplans im gleichen Dokument wird nicht empfohlen.

Die ideale Maschenweite des Wegenetzes soll maximal 100 Meter betragen. Ein Augenmerk wird auch auf den Umwegfaktor gelegt, der möglichst minimiert werden soll. In ihn werden Wartezeiten an Ampeln und Höhendifferenzen im Netz eingerechnet. Weil die tolerierbaren Umwege von den Aktivitätszwecken abhängen, werden Bandbreiten für den Umwegfaktor je nach Netzfunktion empfohlen: vom Faktor 1,1 für den Schulweg von Jugendlichen bis zum Faktor 1,4 für Wege mit Zielen für den Aufenthalt und das Ausruhen in der Freizeit. Im Alltagsnetz soll aber generell ein Faktor von 1,2 nicht überschritten werden.

Bewertung

Das Handbuch ist auch für Lesende außerhalb der Schweiz relevant, da Grundsätze, Kriterien und Vorgehensschritte für das selten behandelte Thema der Fußwegnetzplanung entwickelt werden. Die Differenzierung der Elemente des verbindlich festgelegten Fußwegenetzes nicht nur in Strecken und Querungen, sondern auch in Flächen (für den Aufenthalt) und Verknüpfungen mit anderen Verkehrsmitteln ist sehr zweckmäßig. Dies gilt auch für den Vorschlag, zusätzliche Netzarten mit spezifischen Funktionen auszuweisen (Schulweg-, Freizeit- und Nachtnetz) oder ein Hauptnetz von einem Erschließungsnetz zu unterscheiden.

Die Qualitätskriterien für gute Fußwegnetze, an denen sich die qualitätsverbessernden Maßnahmen entlang der Netze orientieren sollen, werden sinnvollerweise im Zusammenhang mit der Diskussion der Netzplanung behandelt. Die Ergebnisse von Schwachstellenanalysen müssen zwar nicht in den rechtsverbindlichen Dokumenten zum Fußwegenetz dokumentiert werden, weil dort nur das verbindliche Netz und die Netzlücken dargestellt werden. Richtigerweise empfehlen die Autoren aber, während der Bestandsaufnahme und Bewertung des Netzes gleich auch im gesamten Gemeindegebiet eine Identifikation und Bewertung von Schwachstellen vorzunehmen und eine Maßnahmenliste mit geeigneten Maßnahmen zur Behebung dieser Schwachstellen in Bau- und Sanierungsprogramme aufzunehmen.

Titel:

Fußwegnetzplanung. Handbuch. Vollzugshilfen Langsamverkehr Nr. 14. Zürich, Bern 2015, 93 S.

Verfasser:

Daniel Sigrist, Thomas Zahnd, Michael Rothenbühler, Iris Diem

Bezug:

Broschüre bestellen bei www.fussverkehr.ch oder download

 

Impressum:

Erstveröffentlichung in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung, August 2015. Der Kritische Literaturdienst Fußverkehr Krit.Lit.Fuss erscheint seit 1992 als Beilage des InformationsDienstes Verkehr IDV und nach der Namensumbenennung ab dem Jahr 2002 vierteljährlich in der mobilogisch! Zeitschrift für Ökologie, Politik & Bewegung.

Autor dieser Ausgabe: Helmut Schad.

Herausgeber: FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, Exerzierstraße 20, 13357 Berlin, Tel. 030/492 74 73, Fax 030/492 79 72, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., www.fuss-eV.de

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