Eine neue Regelung erhöht potenziell den Konflikt um Verkehrsfläche zwischen den Unmotorisierten, zum Glück ist sie noch kaum bekannt: Erst seit rund einem Jahr (Mai 2017) gibt es in der Bundesrepublik Geh- und Radwege ohne Benutzungspflicht. Die Vorgaben lassen ein in regelmäßigen Abständen am Boden aufgebrachtes Piktogramm zu: Oben ist das Zeichen für Fußverkehr, unten das für Radverkehr. Beide werden durch einen Querstrich getrennt, aber ohne umschließenden Kreis, der das blaue Schild (Zeichen 240) mit Benutzungspflicht kennzeichnet.
Aus Sicht des FUSS e.V. darf ein gemeinsamer Geh- und Radweg ohne Benutzungspflicht innerörtlich allenfalls einen bisher benutzungspflichtigen Geh- und Radweg mit Verkehrszeichen 240 ersetzen. Das heißt: keine zusätzlichen gemeinsamen Geh- und Radwege, und schon gar kein Ersetzen bisheriger Gehwege mit „Radfahrer frei“. Fahrräder dürfen auf solchen Gehwegen maximal Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn Fußverkehr unterwegs ist. Diese „Höchstgeschwindigkeit“ auf keinen Fall im Rahmen der Umwidmung per Piktogrammerhöht werden.
Ein gemeinsamer Geh- und Radweg sollte grundsätzlich nur dort zulässig sein, wo die Zahl der Fußgänger*innen und Radfahrer*innen die Höchstzahlen in den Empfehlungen für Fußverkehrsanlagen (EFA 2002), für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) und in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) für den Mischverkehr nicht überschreitet. Die Richtwerte für die Gehwegbreite variieren je nach Zahl der Zufußgehenden und Radfahrenden in Spitzenstunden von 2,5 bis 4,5 Meter. Ab 240 Verkehrsteilnehmenden pro Stunde soll laut Richtlinie der Radverkehr auf dem Gehweg nicht zugelassen werden.
Gemeinsame Geh- und Radwege führen vor allem innerorts oft zu Konflikten zwischen Fuß- und Radverkehr. Die nun erlaubte Regelung ohne Beschilderung, aber mit Piktogrammen kann dazu führen, dass noch mehr Radler*innen unerlaubterweise den Gehweg benutzen: RadlerInnen werden förmlich eingeladen, von der Straße auf den Gehweg abzubiegen. Das wäre fatal, und nicht nur - aber auch -, weil der Radverkehr durch die Elektrifizierung zunimmt und schneller wird.
FUSS e.V. bittet daher Kommunalpolitiker/innen und Fachkräfte in den Verwaltungen, sich gegen eine Einführung dieses Piktogramms in ihrer Gemeinde einzusetzen bzw. es nicht anzuwenden: Besser wäre es, Fahrbahnen so zu gestalten, dass sie für den Radverkehr sicher und attraktiv sind. Fahrender Verkehr gehört grundsätzlich auf die Fahrbahn, Gehwege sind zum Gehen und Verweilen gedacht und nötig. Langsamer Kraftfahrzeugverkehr - Tempo 30 oder weniger - verträgt sich in der Regel gut mit dem Fahrradverkehr, besser jedenfalls als dieser mit dem Fußverkehr.