Scheinbar ist es ganz einfach: Rad und Fuß bekommen Raum vom Auto, und beide sind glücklich. Aber Wege kreuzen sich weiter, Raum wird von beiden beansprucht. 32 Konflikte, über die Fuß- und Rad-Engagierte diskutieren sollten.
Und sie tun es: Reaktionen von FUSS-Mitgliedern und Dritten auf die Erstveröffentlichung finden Sie hier eingebettet.
Fuß- und Radverkehr haben unterschiedliche Ansprüche an Raum, Rechte und Verhalten. Beider Wege kreuzen sich oft; rein technisch kommen viel mehr Wege für beide Verkehrsmittel in Frage als etwa Gehwege und Fahrbahnen kombiniert werden können. Fuß- und Radverkehr sind sich nahe und kommen sich nahe; schon darum ist das Konfliktpotenzial groß.
Konflikte an sich sind nichts Böses, sondern gesellschaftlicher Alltag. Sie sollten ausgehandelt und möglichst befriedet werden; meist müssen dabei alle Beteiligten irgendwo zurückstecken. Gefährlich ist es dagegen, wenn das Austragen von Konflikten unterdrückt wird – etwa mit dem Verweis auf einen gemeinsamen dritten Gegner, hier das Auto. Denn dann bestehen sie ja weiter, werden aber nicht in ziviler und geregelter Form ausgetragen, sondern in vielen Einzelfällen von Planung und Verkehr. Meist gibt es dabei keine faire Auseinandersetzung und keinen Interessen-Ausgleich, sondern es siegt der Stärkere.
Das ist in unserem Fall physisch meist das Rad. Dessen Siege sind jedoch Pyrrhus-Siege: Unter Fußgängern wächst die Wut über die legale und noch öfter illegale Aneignung ihres Raums durchs Rad, Gefahren, Stress, den Verlust von Freiheit. Das besonders Tückische dabei: Das Auto lässt den Fußgängern meist noch ihren Schutzraum – oft einen engen und unterbrochenen, aber wenig gestörten. Das Fahrrad dagegen dringt genau in diesen Schutzraum ein – den einzigen, den Fußgänger haben. Die faktische Wegnahme ihres Rechts auf freie und sichere Bewegung empfinden viele Fußgänger als besonders aggressiv. Da hilft der Verweis auf die Unfallstatistik wenig. Erstens ist es eine Frage der Wahrnehmung – ähnlich wie beim illegalen Radweg-Parken ist die empfundene Gefahr und Behinderung größer als die in Zahlen erfasste. Zweitens gibt es eine Dunkelziffer in unbekannter Höhe: Unfälle mit geflüchteten Radfahrern werden oft wegen Aussichtslosigkeit nicht gemeldet. Oder es wird ein Rad-Konflikt nicht als Ursache erfasst – etwa bei Stürzen, die bei Hochbetagten oft eine Vorstufe zum Tod sind.
Werden Fuß-Rad-Konflikte nicht friedlich und mit Respekt vor Regeln beigelegt, dann geht das nur in harter Konkurrenz. Das Fahrrad hat dann in Auseinandersetzungen um Flächen und Rechte nicht nur das Auto gegen sich, sondern auch die Fußgänger. Beide zusammen sind etwa 85 Prozent der Verkehrsteilnehmer, Radfahrer etwa 15 Prozent. Gegen wen sich Mehrheiten suchende Politik dann wendet, dürfte auf der Hand liegen.
Es ist also im Interesse von Fuß wie Rad, die Dinge offen auf den Tisch zu legen und zu verhandeln. Dafür gibt es viele Punkte: Im folgenden Text stehen 32 Konflikt-Themen, und die Übersicht ist sicher nicht vollständig. Die Sichtweisen sind bewusst zugespitzt dargestellt, und sicher erleben viele Menschen zu Fuß und auf dem Rad den Alltag nicht derart konfliktreich. Und bei vielen Themen gibt es auch innerhalb der Gruppen keinen Konsens. So wird die „holländische Kreuzung“ unter Rad-Engagierten lebhaft und kontrovers diskutiert. Wir bitten um Ergänzung und Korrektur, besonders in der Spalte „Rad-Perspektive“. Und wir von FUSS e.V. halten es für klug, wenn keiner diese Konflikte herunterspielt, sondern wir sie offen bereden. Nur dann können wir als Umweltverbund gemeinsam und überzeugend für die Mobilitätswende auftreten. ADFC, Changing Cities, Radentscheid-Initiativen und andere sind dazu von uns herzlich eingeladen; der VCD womöglich als Mittler. Besonders freuen wir uns natürlich über Lösungsvorschläge – speziell darüber, wie sich der eine oder andere Konflikt in Wohlgefallen auflösen lässt.
Zum Grundsätzlichen Claus Dessauer, Stuttgart
Reden – mit wem, und worüber? Sollen wir Radfahrern erklären, dass sie, auch wenn sie ökologisch korrekt unterwegs sind, auf Gehwegen nichts verloren haben? Sollen wir Verkehrsplanern sagen, dass Fußgänger manchmal zügig gehen und manchmal verweilen wollen, und dafür genügend Platz brauchen; was Fußgänger überhaupt nicht brauchen sind Gehwege, die als „Gehweg, Radverkehr frei“ oder als gemeinsamer Geh-/Radweg ausgeschildert sind, sodass Behinderungen, Belästigungen oder Gefährdungen durch Radfahrer vorprogrammiert sind? Sollen wir Politikern, die sich mehr Klima-, Umwelt- und Lärmschutz und weniger Autoverkehr wünschen, erläutern, dass Autofahrer erst dann in nennenswerter Zahl auf ihr Auto verzichten, wenn die Bedingungen für alternative Mobilitätsformen bestmöglich sind?
Die autofixierte Gesellschaft hat doch in den letzten Jahren und Jahrzehnten den Radverkehr absichtlich auf Gehwege, in Grünanlagen, in den ÖPNV gedrängt – und so erst viele der beschriebenen Konfliktfelder erzeugt. Und da der Radverkehr, heute politisch erwünscht, zunehmen soll und die Radfahrer, dank eBike oder 18-Gang-Schaltung, immer schneller werden, wird es für Fußgänger immer ungemütlicher. Wir müssen nicht reden, die (Kommunal-)Politik muss endlich handeln.
1. Gehwege
Konfliktfeld
Illegales Radeln
Rad-Perspektive
Wird verbal und theoretisch abgelehnt, aber zugleich entschuldigt mit „Infra-Mängeln“
Fuß-Perspektive
Wachsende Belastung vor allem für Alte, Kinder, Behinderte. Häufigste Attacke auf den theoretischen Schutzraum, wird behördlich kaum geahndet.
Konfliktfeld
Geldbußen
Rad-Perspektive
Theoretisch 15 bis 30 Euro, praktisch egal, da fast nie erhoben
Fuß-Perspektive
Gleiche Buße für Schwarzradler wie für Schwarzfahrer? Das wären 60 Euro. Oder wie in Frankreich? Da sind es 135.
Konfliktfeld
Legales Radeln von Kindern und Begleitern
Rad-Perspektive
Gut – Kinder lernen radeln so besser. Dieses neue Recht bewahren!
Fuß-Perspektive
Schlecht, auch wenn es Alltagspraxis nur legalisiert – noch mehr Radfahrer auf dem Gehwege, einschließlich der illegalen, die vom Anblick legaler Begleiter bestärkt sind. Das Recht für Erwachsene wieder abschaffen!
Dazu Roland Schmid, Teltow
Das ist makaber, wenn ich an meine Erlebnisse als Fußgänger denke: Bis Ende März dieses Jahres war ich im Berufsverkehr als Fußgänger in der Anton-Saefkow-Straße in Teltow zu meinem Startbahnhof „Teltow Stadt" unterwegs. Zunächst war ich nur von Kindern und Jugendlichen auf dem Gehweg vereinzelt aggressiv angeklingelt und arg bedrängt worden. Nach dieser üblen Novellierung der StVO bin ich dann auch von auf dem Gehweg radelnden, begleitenden Müttern (vom Typus Helikoptereltern) aggressiv angeklingelt und auch angeraunzt worden. Hahaha: „Kinder lernen radeln so besser."
Resümee: Die StVO muss wieder geändert werden in diesem Punkt, Radeln von Personen ab 10 Jahren auf Gehwegen sollte wieder unterbunden werden. Richtig wäre, dass auch Kinder bis zur Vollendung des achten Lebensjahres auf der Fahrbahn fahren dürfen, falls sie von einem Erwachsenen begleitet werden. Vorausgesetzt, es ist kein Radweg vorhanden.
Konfliktfeld
Gemeinsame Wege, Gehwege mit Rad-Erlaubnis
Rad-Perspektive
Wird wegen Enge nicht begrüßt, aber oft als eigenes Terrain genutzt
Fuß-Perspektive
Wird nicht begrüßt. Viele Radfahrer kennen oder respektieren die Rücksichts-Regel nicht.
Zu Gehwegen allgemein Heike Kaupp, Berlin
Soweit ich verstanden habe, ist das Tragen von Kopfhörern für Fahrradfahrer entweder nicht oder nicht eindeutig geregelt. Die akustische Abschottung vom Geschehen ist aber offensichtlich ein wesentlicher Faktor für Fahrfehler und rücksichtsloses Verhalten und sollte daher unterbunden werden. - Ohne entsprechenden Kontrolldruck werden höhere Bußgelder keine sichtbare Verhaltensänderung bewirken.- Ein großer Teil der Fahrradfahrenden kennt die Regeln offensichtlich nicht. Ich spreche regelmäßig Leute an, die auf dem Gehweg Rad fahren, und ernte dann häufig schlicht Unverständnis, da man der Ansicht ist, langsam Radeln sei erlaubt. Hierbei sehe ich es als Aufgabe der Lobbyorganisationen, nicht nur nach außen mehr Rechte für die eigene Klientel zu fordern, sondern auch aktiv korrigierend und informierend nach innen zu wirken. In dieser Richtung ist für mich nichts erkennbar, obwohl gerade Changing Cities ansonsten sehr offensiv kommuniziert. Der ADFC hat zwar ein Dokument "Verkehrsrecht für Radfahrende" auf der Homepage, drängt diese Informationen den Radfahrenden aber nach meiner Wahrnehmung auch nicht auf.
2. Parks und grüne Wege
Konfliktfeld
Rad-Erlaubnis
Rad-Perspektive
Generell zulassen
Fuß-Perspektive
Fundi-Position: raus! Realo-Position: nur auf breiten Wegen
Konfliktfeld
Status bestimmter Wege
Rad-Perspektive
Am besten Rad-exklusiv (Schnellwege), am zweitbesten Rad-Vorrang oder formale Gleichberechtigung
Fuß-Perspektive
Wenn schon Rad-Zulassung, dann Fuß-Vorrang wie auf Gehwegen mit Rad-Freigabe. Lebbar ist auch ein Modell mit faktisch zeitlich unterschiedlichen Vorrechten: morgens Radpendler, nachmittags Gleichheit, am Wochenende Fuß-Vorrang
Konfliktfeld
Geschwindigkeit
Rad-Perspektive
Kein Limit
Fuß-Perspektive
Schritttempo, an Durchgangswegen Maximum von z.B. 20 km/h
3. Kreuzungen und Querungen
Konfliktfeld
Kreuzungs-Design
Rad-Perspektive
Holländisches Modell: quasi ein Ring von Radwegen rund um die Kreuzung, querender Fußverkehr nachrangig und ungesichert
Fuß-Perspektive
Radwege werden als zusätzliche Hindernisse und Gefahrenquellen gesehen. Bei Rad-Planungen z.T. völlige Ignoranz für Bewegungs- und Sicherheitsbedürfnisse von Fußgängern
Dazu Roland Schmid, Teltow
Wichtig ist der Merksatz „Sehen und gesehen werden": Meine nun über 60 Jahre andauernde Erfahrung als Alltagsradler (auch meine letzten Arbeitsjahre mit der Benutzung eines „Pendelfahrrades" zwischen Zielbahnhof und Arbeitsstelle durch eine Innerorts-Hauptstraße) haben mir deshalb folgendes klar gezeigt:1. Innerorts gehören die Fahrradfahrer insbesondere an den Kreuzungen / Einmündungen auf die Fahrbahn.2. Eine auf der Fahrbahn markierte Radspur rechts von der Kfz-Rechtsabbiegerspur ist gefährlich. Allerdings können auf der Fahrbahn breit genug markierte Radspuren links von den Kfz-Rechtsabbiegerspuren durchaus hilfreich sein für die geradeaus fahrenden und links abbiegenden Fahrradfahrer. Das o.g. Holländische Modell ist also nicht hilfreich.
Konfliktfeld
Ampelphasen an Kreuzungen
Rad-Perspektive
Unterschiedliche Phasen für Fahrbahn- und Radverkehr in einer Richtung. Radgrün auch bei Fußgrün
Fuß-Perspektive
Fußgrün bleibt Fußgrün. Zusätzliche Sicherung gegen einbiegende Fahrzeuge nötig (Entkoppelung der Phasen)
Konfliktfeld
Abbiegepfeil an Ampel
Rad-Perspektive
Unbedingt!
Fuß-Perspektive
Nein – noch mehr Unsicherheit
Konfliktfeld
Radweg rechts der Fahrbahn-Ampel
Rad-Perspektive
Ampel gilt hier nicht – praktisch!
Fuß-Perspektive
Nachrangige ungesicherte Radweg-Querung. Übel besonders, wenn zwischen Furt und Radweg wenig Platz
Dazu Bernd Sluka, Passau
"Ampel gilt hier nicht - praktisch" ist falsch. Dafür, ob die Ampel (hier wohl gemeint: das allgemeine Lichtzeichen für Fahrzeuge) zu beachten ist, ist unerheblich, ob der Radweg rechts oder links davonverläuft. Zunächst mal ist zu klären, ob "die Ampel" zu beachten ist. Ist eine eigene Radfahrersignalisierung vorhanden, ist diese zu beachten. Ansonsten ist es "die Ampel". Deren Schutzbereich umfasst aber neben der Fahrbahn auch anliegende Gehwege und Radwege (z. B. OLG Karlsruhe NZV 1989, 158). Wer bei Rot in den Schutzbereich einfährt, begeht einen Rotlichtverstoß, also auch der, der das auf einem Radweg oder Gehweg macht.
Ich übersetze das besser: Radfahrer fährt auf Kreuzung zu. Ist eine Ampel mit Fahrradsymbol vorhanden, muss er nur diese beachten. Er darf dann ggf. bis zu ihr bzw. deren Schutzbereich (zumeist die geradeausführende Furt) vorfahren, also auch an der roten Hauptampel vorbei. Ist keine Ampel mit Fahrradsymbol vorhanden, muss er bei Rot vor der Ampelanhalten. Dabei ist es unerheblich, ob der Radweg das rechts oder links der Ampel verläuft oder eine Haltlinie markiert ist.
Eine Ausnahme bei separaten Fußgängerampeln (nicht an Kreuzungen) ist denkbar. Hier umfasst der Schutzbereich soweit mir bekannt nur die
markierte Fußgängerfurt. Verläuft ein Radweg längs der Straße, die mit der Fußgängerampel gequert werden soll und ist die Furt über den Radwegmarkiert, muss bei Rot gehalten werden. Verläuft der Radweg nicht über die markierte Furt (rechts vorbei an der Ampel), darf bei Rot vorsichtig weitergefahren werden.
Konfliktfeld
Zebrastreifen (Neuanlage)
Rad-Perspektive
Unbeliebt, da Rad hier auf der Fahrbahn bei Fußgängern anhalten muss/müsste
Fuß-Perspektive
Zebrastreifen sind beliebt wegen Vorrang vorm rollenden Verkehr
Konfliktfeld
Zebrastreifen (Benutzungspraxis)
Rad-Perspektive
Wird in Längsrichtung nicht immer respektiert („Ich komme doch gut vorbei“) und gern auch in Querrichtung gemeinsam mit Fußverkehr mit Rad beansprucht
Fuß-Perspektive
Es wird die Gefahr gesehen, dass FGÜs wegen häufiger Nutzung von fahrenden Radlern abgeordnet werden
Konfliktfeld
Radwege quer über Gehweg (z.B. bei abgehängten Nebenstraßen, „Abkürzungen“).
Rad-Perspektive
Vorrang fürs Rad
Fuß-Perspektive
Vorrang für Fuß, kein Flächenverlust und keine Einengun
Hinweis von Heike Kaupp, Berlin
- Es scheint den meisten Fahrradfahrenden nicht bekannt zu sein, dass die Fußgängerampel für sie nicht gilt. Auch hier fehlt offensive Kommunikation.
4. Abstellen von Rädern
Konfliktfeld
Abstellen von Privaträdern
Rad-Perspektive
Möglichst direkt am Ziel – und das bedeutet meist auf dem Gehweg
Fuß-Perspektive
Gemeinden sollen Sperrzonen definieren können, in denen keine Räder abgestellt werden.
Konfliktfeld
Abstellen von Leihrädern
Rad-Perspektive
Wo immer man eins brauchen könnte
Fuß-Perspektive
Nur auf Fahrbahn im Parkstreifen oder Sondernutzungsflächen
5. Infrastruktur-Priorität
Konfliktfeld
Mängel beheben und investieren
Rad-Perspektive
Rad hat am wenigsten eigene Infrastruktur; Gehwege gibt es viel mehr
Fuß-Perspektive
Gehweg ist Basis-Infrastruktur. Schäden behindern und gefährden vor allem Ältere. Sofort beheben! Beleuchtung fehlt oft
Konfliktfeld
Wegebreiten bei rechtlich getrennter Nutzung
Rad-Perspektive
3 Meter fürs Rad, zum Überholen
Fuß-Perspektive
2,50 m nach EFA
6. Rechte, Verhalten, Ausstattung
Konfliktfeld
Enges Überholen
Rad-Perspektive
Warum nicht? Alles unter Kontrolle
Fuß-Perspektive
Nervig bis gefährlich
Konfliktfeld
Anklingeln und Bedrängen von Fußgängern
Rad-Perspektive
Manchmal gerechtfertigt, gelegentlich unvermeidlich: Man kommt sonst nicht weiter.
Fuß-Perspektive
Wird auf gemeinsamen Wegen praktiziert, aber auch auf Gehwegen mit und ohne Rad-Freigabe. Wird oft als respektlos, erschreckend, gefährdend, verletzend empfunden
Konfliktfeld
Illegales Gehen und Stehen auf Radwegen
Rad-Perspektive
Bloß nicht!
Fuß-Perspektive
Ist zu vermeiden, sollte aber wie das Gehen auf Fahrbahnen dann legalisiert werden, wenn kein anderer Weg zur Verfügung steht oder der Gehweg zu schmal bzw. zu schlecht ist
Konfliktfeld
Gehweg-Benutzungspflicht für Fußgänger
Rad-Perspektive
Hauptsache, nicht auf dem Radweg oder der vom Rad benutzten Fahrbahn
Fuß-Perspektive
Diese Pflicht sollte der Gesetzgeber lockern, wo der Gehweg Mängel hat.
Konfliktfeld
Radscheinwerfer
Rad-Perspektive
Viel sehen und von weitem gesehen werden.
Fuß-Perspektive
Nicht geblendet werden. Keine nervenden Blinklichter (Stroboskope). Sie sind auch nach § 67 Abs. 3 und 4 StVZO unzulässig.
Konfliktfeld
Sichtbarkeit von Fußgängern in Dunkeln
Rad-Perspektive
Wer im Dunkeln geht, sollte sich mit Licht und heller Kleidung ausstatten.
Fuß-Perspektive
Wir wir uns ausstatten, muss sich nicht nach dem Tempobedürfnis anderer richten. Dunkle Kleidung ist nach Gerichtsurteilen keine Unfallursache, Gehen abends im Park ohne Licht auch nicht. Bei schlechter Sicht sind vielmehr auch Radfahrer zu angepasster Geschwindigkeit verpflichtet. Sie dürfen nur so langsam fahren, dass sie beim Erkennen eines Fußgängers in ihrem Lichtkegel noch sicher anhalten können.
7. Radschnellwege
Konfliktfeld
Ausführung
Rad-Perspektive
Breit, kreuzungsfrei, asphaltiert
Fuß-Perspektive
Asphaltierung nur, wenn auch Alltagsverbindung zu Fuß, nicht auf Parkpromenaden. Kein Verlust von Grün
Konfliktfeld
Routenführung
Rad-Perspektive
Gerne auch durch Grünanlagen, möglichst direkte Führung
Fuß-Perspektive
Nicht durch Parks und Erholungsgrün, stattdessen über Straßen
Konfliktfeld
Benutzungsrecht
Rad-Perspektive
Exklusiv für Radler, mit höchstens nachrangiger Fußquerung
Fuß-Perspektive
Auch für Fußgänger – am besten auf gutem parallelem Weg, sonst auf dem Radweg selbst
Konfliktfeld
Querung durch Fuß (und Auto)verkehr
Rad-Perspektive
Möglichst unterbrechungsfrei, Fußgängerquerung nur nachrangig
Fuß-Perspektive
Sichere und vorrangige Querung, keine Zerschneidung von Alltagswegen für den Fußverkehr und von Parks und Grünanlagen
8. Bahn und Bus (Fußgänger hier = Fahrgäste ohne Rad)
Konfliktfeld
Rad-Mitnahme in Bahn und Bus (grundsätzlich)
Rad-Perspektive
Immer
Fuß-Perspektive
Wenn noch Platz ist. Ansonsten hinderlich, lästig und Kapazitäten einschränkend. Ggf. Sperrzeiten
Konfliktfeld
Rad-Mitnahme in Bahn und Bus (Kapazitäten und Plätze)
Rad-Perspektive
Große Sonderabteile entweder ohne Sitze oder mit dem Recht, von anderen Fahrgästen den Platz zu beanspruchen. Darüber hinaus am besten überall in Bahn und Bus
Fuß-Perspektive
Nur in Sonderabteilen, dort nachrangig zu anderen Fahrgästen. Keine Reduzierung von Sitzplätzen
Konfliktfeld
Busspuren
Rad-Perspektive
Sollen immer auch Radspuren sein. Busse sollten nur mit ausreichendem Seitenabstand (mindestens 1,50 m) überholen dürfen.
Fuß-Perspektive
Auf zu schmalen Busspuren bremsen wenige Radfahrer viele Busbenutzer aus, wenn Überholen nicht möglich ist. Wo dies zu heftig wird, Busspur nicht fürs Rad zulassen
Konfliktfeld
Radwegführung über Haltestellen und Wartebereiche
Rad-Perspektive
Rad hat Vorrang, Ein- und Aussteiger müssen warten
Fuß-Perspektive
Ein- und Aussteiger brauchen Vorrang. Bei häufigen Konflikten Wartepflicht für Radfahrer ähnlich wie für Autos bei Tram-Halt auf Fahrbahn
Dazu Heike Kaupp, Berlin
Hier ist die Einsicht der Fahrradfahrenden unterirdisch - es braucht also eine Kennzeichnung! Die Gefahrensituation wird noch verschärft, wenn im Haltestellenbereich Radwege (teilweise) rechts von der Ampel verlaufen und die Verkehrsplaner den Radfahrenden durch dauergrüne Fahrradampeln "Rotlichtfahrten ersparen" wollen (O-Ton des ehemaligen Leiters der VLB). Dauergrün geht im Haltestellenbereich gar nicht, da Fahrradfahrende sich dadurch im Recht sehen, mit unverminderter Geschwindigkeit zu fahren.
Konfliktfeld
Haltestellen an und auf Radstreifen und -spuren
Rad-Perspektive
Bus blockiert Rad, Bus sollte nicht kurz vor Rad an Haltestelle einscheren
Fuß-Perspektive
Bus sollte Vorrang haben
9. Baustellen und Engstellen
Konfliktfeld
Orte mit sehr wenig Raum/ Platz
Rad—Perspektive
Freie und sichere Fahrt, kein Absteigen
Fuß-Perspektive
Sicherer und ausreichender Raum zum Gehen, kein Gefährden und Bedrängen durch Rad. Der Radler soll an besonders engen Stellen absteigen, wenn Fußgänger dort laufen.
Hinweis auf einen weiteren Konflikt von Manfred Bernhard, Offenbach
Unter "Wir sollten über Konflikte reden" finde ich das Thema "Blendung" nicht. Die anbrechende "dunkle Jahreszeit" wird unangenehmer werden als in früheren Jahren, weil so viele Räder mit LED-Frontscheinwerfern hinzugekommen sind. Frontscheinwerfer, die parallel zur Fahrbahn ausgerichtet sind.
Für mich stellt sich u. a. die Frage: Was hat der Bundes-ADFC, der ja ständig im Kontakt mit den Fahrradherstellern ist, aus Alltagsbeobachtungen und einer 7 Jahre alten Erkenntnis (die von Markus Schmidt ausgegrabene Veröffentlichung "Üble Blender" von 2012) gemacht?
in puncto Normgebung?
in puncto Verhaltenshinweise zur Ausrichtung der Frontscheinwerfer?
Denkt man dort: "Viel Licht (egal wohin es strahlt) hilft viel"?
Auf jeden Fall sind wir Fußgänger aufs Übelste betroffen und ich schlage vor, beim Reden über Konflikte auch dieses Thema aufzugreifen
Zu vielen Konflikten Christoph Schmid, Köln
Als täglichem Fußgänger und beinahe täglichem Radfahrer in Köln fehlen mir in der Liste der Konfliktpunkte sehr viele Punkte, zumal in Köln anders als in den bundesweiten Zahlen, Fußgänger mind. 60% der Fuß-Rad-Unfälle verursachen:
- Radfahrer, die sehr eng an Fußgängern vorbeifahren- Fußgänger, die auch bei ausreichend Platz sehr eng am Radweg entlang laufen
- Fußgänger, die auf Radwegen laufen (in Köln extrem viel häufiger der Fall als umgekehrt)
- Fußgänger, die Hindernissen ausweichen und dabei unvermittelt Radwege betreten
- Fußgänger, die auf Radwegen in größeren Gruppen stehen und klönen- Fußgänger, die Radspuren/wege queren, ohne zu schauen
- Fußgänger, die Fahrbahnen nur nach Gehör queren- Fußgänger, die bewusst Fahrbahnen queren obwohl sie Radfahrer sehen
- Fußgänger, die beim Queren freigegebener Einbahnstraßen nur in die Autofahrtrichtung schauen
- Fußgänger, die an Kreuzungen im Radbereich warten
- Fußgänger, die an Kreuzungen die schmale Radquerung statt der etwa doppelt so breiten Fußquerung nutzen- Fußgänger mit Hunden in all ihren Facetten
- Fußgänger, die aus Autos aussteigen (Dooring)- Unklare Kennzeichnungen von Gehwegen/Radwegen/gemeinsamen Wegen/Platzflächen (häufig erkennt und weiß niemand, wie eine Fläche gewidmet ist).
Zu den von mir verachteten Gehwegradlern würde ich ergänzend eine andere Argumentation wählen, die vielleicht noch besser bei denen ankommt: Gehwegradeln ist gefährlich vor allem für den Gehwegradler selbst, da mit ihm weder Fußgänger noch Autofahrer (Kreuzungen, Einfahrten) rechnen. Gehwegradeln ist eine der Hauptunfallursachen von Radfahrenden, wenn diese Unfallverursacher sind. Diese Perspektive ist den Gehwegradlern oft nicht bewusst.
Gibt es eine ähnliche Liste auch für Konflikte zwischen Fußgängern und dem MIV? Als Fußgänger nervt mich z.B., dass Kfz vom E-Scooter bis zum LKW rücksichtslos den eh schon schmalen Gehweg zum Parken okkupieren. Bei mir um die Ecke stehen teils 10 Motorräder an einer Kreuzung auf dem Gehweg... Und natürlich das übliche: Platzverteilung, Ampelphasen…
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