Das Gehen muss auch in Deutschland eine der Hauptsäulen der Prävention werden. Eine Förderung der Bewegung der Kinder ist notwendig, damit unsere Bemühungen überhaupt eine nachhaltige Wirkung haben können. Regelmäßiges Alltags-Gehen der Kinder ist mindestens so wichtig wie die wöchentliche Sportstunde in der Schule oder im Verein. Der Schulweg und der Weg zum Kindergarten sind zwar wieder auch nur eine Teilmenge, doch können wir an diesen „Arbeitswegen“ unserer Kinder noch am deutlichsten arbeiten. Wir sollten deshalb Ideen, Zeit, Kraft und auch Geld investieren, um den Anteil der zu Fuß zurückgelegten Wege drastisch zu erhöhen. Das sind Maßnahmen für die Gesundheit unserer Kinder und Enkelkinder, aber auch für die Gesunderhaltung der Eltern und Großeltern, für die immer weniger übrig bleibt, wenn schon die Kinder die Kassen übermäßig belasten. Nicht vernachlässigen sollten wir dabei den beachtlichen positiven Effekt für unsere Umwelt und, wenn man das Thema konsequent angeht, auch für die Lebensfähigkeit unserer Städte.
Der Mensch ist anfällig
Einen zunehmenden Anteil seiner Gesundheits-Probleme aber schafft er sich selbst. Hier gilt es die verschiedensten Lebensbereiche unter die Lupe zu nehmen, und nicht nur die bereits bekannten Aspekte, wie z.B. das Rauchen, der Drogenkonsum oder übermäßiges bzw. ungesundes Essen und Trinken. Ein weiteres nicht ganz unwesentliches Problem ist, dass mittlerweile der Mensch schon von Kindesbeinen an zu wenig läuft. Wo es ganz zwangsläufig zur Bewegung kommen würde, wird das Kind herum chauffiert. Kinder aber brauchen körperliche Mobilität für ein langes und weitestgehend gesundes Leben. Gesundheitsprävention:
Jeder Gang macht schlank
Im Frühjahr 2002 trat die Weltgesundheitsorganisation WHO mit der alarmierenden Information an die Öffentlichkeit: 2 Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgen des Bewegungsmangels. In Deutschland hat sich die Zahl der übergewichtigen Schulanfänger in den letzten 10 Jahren verdoppelt. Eine im Auftrag der Bundesregierung erstellte Untersuchung untermauerte die These des Bewegungsmangels: 60 Prozent der untersuchten Kinder in Kindergärten hatten Haltungsschwächen oder -schäden, 30 Prozent Übergewicht, 40 Prozent litten unter einem schwachen Herz-Kreislauf-System und an etwa 35 Prozent mussten muskuläre Schwächen und Koordinierungsprobleme diagnostiziert werden. Gehen ist eine äußerst gesunde Bewegung. Selbst kurze Schulwege helfen den Kindern das Mindestmaß an täglicher Bewegung zu erreichen. Jeder Gang macht schlank, jeder Schritt macht fit.
Lebensfroh - sowieso
Lebensfrohe Kinder mit Durchblick und sozialen Kontakten haben auch bessere Voraussetzungen, gesund zu sein. Das zu Fuß zur Schule Gehen steigert das Konzentrationsvermögen, da durch die Bewegung beide Gehirnhälften optimal durchblutet und mit Sauerstoff versorgt werden. Es ermöglicht soziale Kontakte durch z.B. Gehgemeinschaften mit Mitschülern und führt zur besseren Ausgeglichenheit. Kinder brauchen von früh auf geistige und körperliche Mobilität, um eine lebensbejahende Grundauffassung zu stabilisieren, auch als eine Voraussetzung für die psychische Gesundheit.
Ist Luft noch luftig?
Es gibt keinen Lebensbereich ohne ein „aber“: Muss man seine Kinder nicht vor der schlechten Luft schützen und sie deshalb mit dem Auto zur Schule fahren? Die Luft im Auto ist häufig noch schlechter als auf dem Gehweg. Messungen ergaben im Vergleich zum Bürgersteig um ca. 40% bis 60 % höhere Kohlenmonoxid- und Stickstoff-Konzentrationen im Innenraum der Autos. Bessere Luft ist in den Städten nur durch die Reduzierung des Kfz-Verkehrs-Anteiles erreichbar; insbesondere durch Abbau der kurzen Auto-Fahrten wie sie die Schulwege in der Regel darstellen.
Leben ist lebensgefährlich
Gesund bleiben heißt auch unfallfrei zu leben. Deutschland nimmt weiterhin die traurige Spitzenposition in Europa hinsichtlich der Kinderunfallzahlen ein. Nach den polizeilichen Unfallstatistiken sind im Jahr 2000 allein 13 119 Grundschulkinder im Straßenverkehr verunglückt, 63 von ihnen starben an ihren Unfallverletzungen. Solche Meldungen erschrecken verständlicherweise die Eltern. Doch durch Autofahrten zur Schule sind die Kinder nicht vor Verkehrsunfällen zu schützen.
Nur als Fußgänger und Radfahrer können Kinder begreifen, welche Gefahren von anderen Verkehrsteilnehmern ausgehen. Nur so können sie erkennen, wie leicht man sich selbst gefährden und wie man durch eigenes Fehlverhalten zu einer Gefahr für andere werden kann.
Kinder werden durch das Zur-Schule-Gefahrenwerden nicht sicherer im Straßenverkehr. Das Unfallrisiko verschiebt sich lediglich auf die Zeiten, wo sie dann doch als Fußgänger am Straßenverkehr teilnehmen müssen. Schon heute liegt der Fußgängerunfall-Gipfel bei den neun- bis zehnjährigen und der Radfahrerunfall-Gipfel bei den zwölf- bis vierzehnjährigen; nämlich dann, wenn sie ihre Radfahrprüfung abgelegt haben und die Routine eintritt. Ein Zusammenhang, der auch bei jungen Autofahrern nachweisbar ist. Darüber hinaus ist in den letzten Jahren der Anteil der als Mitfahrer im Auto verunglückten Grundschulkinder kontinuierlich gestiegen und lag im Jahr 2000 schon bei 32 %. Beinah 60 % aller getöteten Kinder bis 6 Jahre und 46 % aller Kinder zwischen 6 und 10 Jahren starben im Auto.
Fazit
Es ist gut, dass in Deutschland über die Gesundheitspolitik gesprochen wird. Leider konzentriert sich die derzeitige Diskussion fast ausschließlich auf die Fragestellung, ob die Ärztinnen und Ärzte, die Krankenkassen, die alles fordernden Patienten, die Politiker oder möglicherweise sogar die Pharmaindustrie schuld sind an der nicht in den Griff zu bekommenden Kostenentwicklung im Gesundheitswesen. Das „Zauberwort“ der Bundesgesundheitsministerin heißt: „Vorbeugung“. Hilfreich ist ein „Präventionsgesetz“, wenn es auch die Verhaltens- und die Verhältnis-Prävention einschließt und miteinander verknüpft. Was wir vor allem brauchen, ist eine breite „Bewegung für mehr Bewegung“ mit einer gemeinsamen Strategie und terminierten Umsetzungsschritten. Dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, die wir folgend erst einmal nur anreißen möchten:
Dieser Beitrag von Bernd Herzog-Schlagk erschien in der Dokumentation: Zu Fuß für Umwelt und Gesundheit – 30 Beiträge vom 2. FUSS-Botschaftertreffen am 10. und 11.10.2003 in der Lutherstadt Wittenberg, FUSS e.V. (Hrsg.), Berlin 2004
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